Begegnungen (Das Kleeblatt)
wieder. Stattdessen ergriff er sein Glas und kippte hastig die goldgelbe Flüssigkeit seine Kehle hinunter.
Am Boden zerstört schüttelte sie den Kopf. „Sehr gut. Einfach großartig. Damit hast du wohl alles gesagt, was noch unausgesprochen zwischen uns war. Wie du willst, ich werde dir also den Gefallen tun und dich allein lassen. Entschuldige bitte, dass ich mich in dein Leben gedrängt habe. Ich bedauere, wenn dir meine Gegenwart während des letzten halben Jahres Unbehagen bereitet hat oder dir sogar zuwider war. Das habe ich nicht beabsichtigt.“
Sie machte eine Pause , um wieder zu Atem zu kommen. Insgeheim hoffte sie noch immer, er würde seinen Mut zusammennehmen und ihr endlich sagen, was ihn bedrückte.
„Adrian, ich habe versucht , dir alles zu geben, was ich besitze. Es ist nicht viel gewesen und jetzt wird mir klar, dass es nicht gereicht hat. Ich weiß nicht, was ich dir außer Liebe und Verständnis, Vertrauen und einem Zuhause, einer richtigen Familie, in der du willkommen bist und die dich braucht, noch schenken soll. Ich habe keinen blassen Schimmer, was ich tun kann, damit du irgendwann aufhörst, Angst zu haben vor einer festen Bindung. Damit du nicht mehr davonlaufen musst. Vor dir selber. Vor deiner Vergangenheit. Und einer gemeinsamen Zukunft mit mir und einem Kind.“
Verwirrt blickte er sie an, schwieg jedoch hartnäckig.
„Es ist nicht zu übersehen, wie unglücklich du an Land bist. Clausing würde dich gerne wieder an Bord haben. Das hat er dir sicher schon selbst gesagt. Ich kann es nicht ertragen zu wissen, der Grund für deine Unzufriedenheit zu sein. Da dir ganz offensichtlich deine Freiheit wichtiger ist als meine billigen Geschenke, wird es zweifellos das Beste sein, wenn wir uns trennen. Ich werde dir nicht mehr mit meinem sinnlosen Geplapper auf die Nerven gehen. Du musst nicht länger mit mir unter einem Dach leben.“
„Du hast vo n Anfang an gewusst, worauf du dich mit mir einlässt.“
„Das habe ich nicht vergessen“, stimmte sie ihm mit gefährlich leiser Stimme zu. „A llerdings tätest du gut daran, dich daran zu erinnern, worauf du dich andersherum mit mir eingelassen hast. Auch du hast es von Anfang an gewusst. Entweder ganz oder gar nicht, das ist mein Lebensmotto. Ich kann ganz auf Nugat verzichten oder auf Zigaretten und Alkohol. Ich kann sogar auf Sex verzichten – na ja, zumindest für eine Weile. Bloß eins sollst du wissen: mit wenig werde ich mich nie zufrieden geben. Ein wenig Nugat naschen, ein wenig rauchen, trinken oder lieben? Dann lieber gar nicht, denn halbe Sachen sind einfach nicht mein Ding. Wenn ich etwas mag, dann will ich möglichst viel davon haben. Ist doch nur logisch, oder? Wenn ich also einen Mann liebe, dann will ich ihn ganz und gar. Und der Mann, den ich liebe, das bist nun einmal du. Entweder du lebst damit oder du lässt es bleiben.“
Sie stieß einen kläglichen Lacher aus. „ Aber es ist natürlich verständlich, dass du nicht länger mit einer fetter werdenden Frau das Bett teilen willst. Denn das war schließlich das Einzige, was uns noch verbunden hat – der Spaß, den wir dort hatten.“
Ihre ausdruckslose Stimme war für ihn wie ein Hieb in die Magengrube. Plötzlich hatte er den Wunsch, es wieder gutzumachen. Er musste den leblosen Ausdruck aus ihren Augen verbannen, musste ihrer Stimme wieder diesen melodischen Klang zurückgeben. Er wollte sie lachen hören und selber lachen über eine ihrer launigen Bemerkungen. Er wusste nicht genau, warum. Er wusste nur, dass er es einfach tun musste.
Er war in seinen Grundfesten erschüttert, als sie sich aus ihrem Sessel erhob und zum Gehen wandte. Ihm wurde eisig kalt und sein Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Die Gründe, die er sich in Erwartung ihrer Vorwürfe oder Tränen zurechtgelegt hatte, blieben ungenannt, weil sie nicht länger versuchte, ihn umzustimmen. Für einen Augenblick empfand er deswegen Enttäuschung. Dann redete er sich ein, es sei besser für sie beide, wenn er sie nicht an die großen Unterschiede erinnern musste, die sie hinsichtlich ihrer Herkunft trennten. Er würde ihr nicht erklären müssen, dass er ihr nicht das Leben bieten konnte, das sie verdiente. Dass es keine gemeinsame Zukunft für sie gab.
Dann allerdings tat sie etwas, das sie sich selbst nicht erklären konnte: Sie drehte sich noch einmal um. Ihr Lächeln war honigsüß und genauso unaufrichtig.
„Tust du mir einen Gefallen?“ Sie wusste genau, es war völlig verrückt,
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