Begegnungen: Februar (German Edition)
sich zurück und genoss die strahlende Sonne von Südfrankreich, so lange sie noch konnte.
Mira stand mit ihrem nunmehr prall gefüllten Koffer und zwei dicken Plastiktüten vor ihrem Haus und überlegte, ob sie bei Bastian klopfen sollte. Er könnte ihr tragen helfen. Er könnte Luzie herausbringen. Er könnte sie...
Sie schüttelte den Kopf. Das war vorbei. Sie wollte ihn nicht unnötig quälen. Es musste auch so gehen. Keuchend hievte sie das schwere Gepäck die Stufen hinauf und verfluchte Hellmut dafür, dass er darauf bestanden hatte, dass sie alles mitnehmen müsste. Sie würde nicht mal die Hälfte davon jemals wieder tragen, abgesehen davon, dass sie die Hälfte seiner „Geschenke“ noch nicht einmal selbst ausgepackt hatte.
Sie blätterte die Post durch. Ihre erste in Berlin. Es waren ein paar Werbeprospekte dabei und ein einfacher weißer Umschlag. Von der Agentur. Was jetzt? War sie gefeuert? Wegen Hellmut?
Unsicher riss sie das weiße Papier auf. Es war keine Kündigung, es war ihre erste Gehaltsabrechnung. Sie schluckte. Die Zahl hatte auf ihrem Vertrag irgendwie größer ausgesehen. Viel größer. Und sie hatte nur einen halben Monat lang gearbeitet. Das, was da auf dem unerbittlichen Stück Papier stand, reichte für die Miete. Und ein Bier. Das wars.
Himmel! Sie musste sich erst einmal setzen und ließ sich entkräftet auf den Treppenabsatz fallen. In ihrem Kopf drehten sich die Gedanken umeinander. Sie hatte noch etwas Erspartes, aber nach ihrem Umzug nicht mehr sehr viel. Im nächsten Monat würde es mehr sein, aber dieser Gedanke tröstete sie im Augenblick wenig. Sie würde sich etwas einfallen lassen müssen. Aber nicht jetzt, jetzt musste sie ihr Gepäck in den vierten Stock tragen. Immer schön eines nach dem anderen.
Oben angekommen ließ sie sich völlig erschöpft aufs Bett fallen. Sie trank einen Schluck Wasser und schaltete erst einmal ihren Computer an. Browste durch all die Emails, die sich im Laufe der Woche angesammelt hatten und die sie nicht interessieren brauchten. Bis sie eine fand, die sehr zu interessieren hatte. Mira wurde blass. Oh nein!
Liebe Kollegen und Mitarbeiter,
wir haben Läuse. Alle, die in der letzten Woche mit den Kindern von Hellmuts Shooting zu tun hatten, sind daher angehalten sich abzusuchen und gegebenenfalls so lange nicht in der Agentur zu erscheinen, bis das Problem behoben ist.
Beim Arzt oder in der Apotheke bekommt ihr ein Mittel für die Haare.
Gutes Gelingen
Die Geschäftsleitung
Unwillkürlich kratzte sich Mira am Kopf. Hatte sie etwa...? Sie sprang auf und versuchte panisch im Spiegel ihre Kopfhaut zu sehen. Aber es war vergeblich. Viel zu dunkel.
Die Ärzte hatten längst zu. Apotheke! Sie würde nicht warten, bis sie einen Arzt aufsuchen konnte, sie wollte auf gar keinen Fall mit kleinen blutsaugenden Krabbeltierchen auf ihrem Kopf schlafen. Sie wollte sie loswerden. Sofort.
Im Internet suchte sie schnell die nächstgelegene Notfallapotheke und rannte förmlich hin. Hatte es sie die ganze Woche schon so gejuckt? Sie meinte nicht, aber seitdem sie die Email gelesen hatte fühlte es sich so an, als krochen tausende kleiner Beinchen über ihr Haupt.
„ Ich brauche was gegen Läuse.“, keuchte sie atemlos der Apothekersfrau entgegen und lehnte sich kraftlos gegen den Tresen.
„ Was brauchen Sie denn genau, junge Frau?“
„ Das schnellste und tödlichste Mittel, das sie haben.“, japste Mira.
Die Apothekerin sah sie argwöhnisch an.
„Wie alt ist denn das Kind? Nicht alle Mittel sind für jedes Alter geeignet.“
„ Es ist für mich!“
„ Oh.“
Die Apothekerin sah nicht eben erfreut aus, als Mira ihren Kopf auf die polierte Oberfläche der Theke legte. Aber ohne ein Wort zu sagen verschwand sie in ihrem Hinterzimmer und kam wenige Minuten später mit einem kleinen Beutel zurück.
„Wir haben hier zwei Fläschchen mit Dimeticon. Haare anfeuchten, einreiben, dreißig Minuten einwirken lassen, auswaschen, dann auskämmen. Nach einer Woche wiederholen. Ich habe Ihnen noch einen Kamm dazugegeben. Er hat lange Zinken, das müsste mit Ihrem Haar gehen. Aber es wird ziepen.“
Mira nickte. Alles, wenn nur nichts mehr auf ihrem Kopf krabbelte.
Zu Hause angekommen, ging sie sofort ins Bad und starrte ihren Rettungsbeutel an. Fast fünfzig Euro hatte sie dafür ausgegeben. Ne Menge Geld, gerade in Anbetracht ihrer momentanen finanziellen Situation. Sie hoffte, dass es sein Versprechen halten würde.
Das Einreiben
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