Begehrter Feind
durch ihre Enthüllung vor ihr auftun mochten, sie musste es ihm sagen. Dominic verdiente, es zu wissen.
Stille legte sich über den Raum, während Gisela nach den richtigen Worten rang. Als Dominic sich wieder zu ihr wandte, faltete sie unsicher die zitternden Hände.
»Dominic«, begann sie, da vernahm sie Stimmen von der Straße, von denen sie eine erkannte: brüsk, kratzend wie ein Tisch, der über groben Boden gezogen wurde, und laut. Gleichzeitig mit der Stimme näherten sich schwere Schritte.
Varden Crenardieu.
»Ja, mein Gänseblümchen?«, fragte Dominic.
»… ihr Männer wartet hier draußen!«, dröhnte die Stimme mit einem starken französischen Akzent unmittelbar vor ihrer Ladentür. Auch nach mehreren Begegnungen mit dem reichen Kaufmann jagte er ihr immer noch eine eisige Furcht ein.
Umso mehr, nachdem Dominic ihr von de Lanceaus fehlenden Stoffballen erzählt hatte.
Ihr Magen krampfte sich zusammen. Wie ungünstig, dass der französische Kaufmann erscheinen musste, während Dominic hier war, der fast direkt über den Dielen stand, unter denen die Seide versteckt war!
O Gott! Wenn Crenardieu die bestellten Kleider erwähnte …
Ihr Herz hämmerte gegen ihre Rippen, als sie sich zur Tür umdrehte. Crenardieus gewaltiger Schatten verdunkelte den offenen Rahmen, bevor er eintrat. Er war genauso groß wie Dominic, und seine eindrucksvolle Gestalt wurde von dem waldgrünen Umhang betont, der in changierenden Falten von seinen Schultern bis zu seinen Knöcheln reichte. Die Säume waren mit schwarzem Pelz besetzt und darüber mit Goldstickerei verziert, was sowohl für seinen Handel werben als auch seinen Reichtum demonstrieren sollte. Seine schwarzen Lederstiefel quietschten beim Gehen.
»
Bonjour
, Anne.« Sein Blick wanderte von ihr zu Dominic. An seinen Fingern glitzerten Ringe, als er das blonde Haar über die Schultern warf.
»Guten Tag«, erwiderte sie.
»Geht es dir gut an diesem schönen Morgen?«
»Ja, vielen Dank.«
»Und deinem Sohn?«
Jedes Mal erkundigte er sich nach Ewan. Ihr behagte nicht, dass er sich für ihren Sohn interessierte, denn sie hatte den Verdacht, dass Ewan ihm irgendwie wichtig war. Aber sie brauchte den Lohn, den Crenardieu ihr versprach, und deshalb musste sie seine Fragen hinnehmen. »Ihm geht es ebenfalls gut, danke«, antwortete sie mit einem angestrengten Lächeln.
»
Bon
.« Ein neugieriges Lächeln umspielte die Lippen des Franzosen, bevor er wieder zu Dominic sah, den er unhöflich von oben bis unten musterte – ein bisschen zu eingehend, wie Gisela fand. Sie erschauderte.
»
Bonjour
, Monsieur.« Vardens blasse Finger zuckten, als würden die Edelsteine an seinen Ringen ihm plötzlich unangenehm in die Haut stechen. »Ich wusste nicht, dass du einen Kunden hast, Anne. Entschuldige, wenn ich eine Verhandlung unterbrach.«
»Taten Sie nicht«, erwiderte Dominic, ehe Gisela etwas sagen konnte.
»Ah.
Bon
.« Der Franzose grinste breit. »Ich glaube, wir sind uns noch nicht begegnet, Monsieur …?«
Dominic trat lächelnd einen Schritt vor und reichte ihm die Hand. »Dominic de Terre.«
Der Franzose schüttelte ihm die Hand. »Varden Crenardieu.« Wieder musterte er Dominic unverhohlen. »
C’est magnifique
, Eure Tunika! Englische Wolle oder flämische?«
»Englische.« Dominic lachte. »Wie ich sehe, kennen Sie sich mit Tuch aus.«
»
Oui
.« Varden plusterte sich auf und spreizte die Finger an seiner Taille, so dass sein Umhang vorn auseinanderklaffte und die bestickte graue Tunika mit passender Hose darunter freigab. »Stoff ist mein Gewerbe. Hier in Moydenshire kann kein anderer Kaufmann es mit meiner Auswahl an Tuch aufnehmen.«
»Ach ja?« Dominic zog staunend die Brauen hoch. »Nicht einmal Lord Geoffrey de Lanceau?«
Ein gefährliches Funkeln blitzte in Crenardieus grünen Augen auf, ohne dass sein Lächeln schwand. »Soweit ich höre, betreibt Lord de Lanceau von Branton Keep aus einen florierenden Wollhandel. Außerdem habe ich Geschichten gehört, nach denen er hervorragende Seiden vom Kontinent importiert«, sagte er mit einem abfälligen Achselzucken. »Ich bin ihm noch nie begegnet und kenne seine Auswahl nicht, also kann ich nicht sagen, ob sein Angebot gleichwertig mit meinem ist. Aber ich versichere Ihnen, Monsieur, dass meine Ware die beste von den Märkten der Champagne ist.«
»Aha«, murmelte Dominic.
»Falls Sie nach einem bestimmten Stoff suchen oder nach einer bestimmten Farbe, kann ich sie Ihnen
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