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Begehrter Feind

Begehrter Feind

Titel: Begehrter Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Kean
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dennoch sah sie für einen kurzen Augenblick schrecklich … einsam aus.
    Erst ein Mal zuvor hatte er diesen Ausdruck bei ihr gesehen: an jenem strahlenden Sommertag, als er ihr Lebewohl gesagt hatte. Er hatte sie umarmt, sie mit all der Liebe geküsst, die er in sich trug, und ihr gelobt, sie niemals zu vergessen. Und sie hatte inmitten der Gänseblümchen auf der Wiese gestanden, das Gesicht tränennass, während der Wind ihr das Haar zerzauste. Kein Wort hatte sie gesagt, als er sich abwandte und wegging.
    Dominic hatte nicht mehr zurückgesehen, obwohl ihr Schluchzen ihn beinahe in die Knie zwang. Er konnte es nicht ertragen, dass sie ihn weinen sah oder merkte, wie es ihm das Herz zerriss. Nach all der Freude, die sie ihm geschenkt hatte, war er es ihr schuldig gewesen, sie gehen zu lassen, damit sie einen anderen fand und sich wieder verliebte. Er konnte ihr nichts versprechen, als er in den Kreuzzug aufbrach. Und sie verdiente eine gute Ehe, Glück, Liebe.
    Ihm war, als würde er den Trennungsschmerz aufs Neue empfinden. Er sehnte sich danach, die Arme um sie zu legen, sie an sich zu ziehen, ihr Trost zu spenden und sich von der Wärme ihres Körpers trösten zu lassen. Wie lebendig er sich gefühlt hatte, wann immer sie einander in den Armen hielten!
    Würde sie zulassen, dass er sie umarmte? Nur dies eine Mal? »Gisela …«
    Wie ein heiseres Flehen kam ihr Name über seine Lippen. Sie holte zittrig Luft, als hätten die Gefühle, die in seiner Stimme mitschwangen, eine Wunde in ihrem Innern aufgerissen.
    Kopfschüttelnd wich sie zurück. Wieder trug sie jenen unsichtbaren Schild, errichtete eine emotionale Mauer zwischen ihnen. »Dominic, bitte! Ich habe nicht gelogen, als ich sagte, dass ich sehr viel zu tun habe.« Sie zeigte auf den Arbeitstisch. »Die Frau des Schmieds war so zufrieden mit ihrem Kleid, dass sie mich bat, ihr ein neues Hemd zu nähen.«
    Er nickte und bemühte sich, seine Enttäuschung zu verdrängen. Sein Blick fiel auf das Hemd, das auf Giselas Nähkünste wartete. So gern er sie auch berühren, schmecken und fühlen wollte, musste er doch akzeptieren, dass sie vollkommen unterschiedliche Leben führten. In zwei verschiedenen Welten. Sie beide hatten Pflichten zu erfüllen, an denen sie ihre einstige Liebe nicht hindern durfte.
    »Dann komme ich später wieder.«
    »Ewan ist heute bei Ada. Er will dich sicher auch sehen. Wenn du also am frühen Abend wiederkommst, können wir zusammen essen.«
    »Ja, das fände ich schön.« Er zwinkerte ihr zu. »Bis dahin sollte ich mich an noch mehr Drachengeschichten erinnern.«
    Ein mattes Lächeln umspielte ihre Lippen. »Bis heute Abend.« Noch während sie es sagte, wandte sie das Gesicht zur Tür, um ihm zu bedeuten, dass er zügig gehen sollte.
    »Ja, bis heute Abend.«
     
    Gisela schob die Tür hinter ihm zu, verriegelte sie und lehnte die Stirn an das rauhe Holz. Ein Beben schüttelte ihren Körper. Es hätte nur wenig gefehlt, dass Dominic ihren Betrug entdeckte. Gerade noch hatte sie es geschafft, die Seide in der Luke verschwinden zu lassen.
    Als sie zu ihren Füßen hinunterblickte, sah sie neben ihrem rechten Schuh, erhellt vom Sonnenlicht, das durch einen Mauerspalt drang, einen blauen Faden.
    Sie kniff die Augen zu. Falls Dominic ihn gesehen hatte …
    Aber nein, das hatte er nicht. Sie würde das Kleid und den Umhang fertig machen, wie Crenardieu es verlangte. Und selbst wenn Dominic dahinterkam, was sie hier tat, wären Ewan und sie bis dahin längst fort aus Clovebury.
    Ich würde es mir nie verzeihen, sollte dir etwas zustoßen, was ich verhindern könnte, süßes Gänseblümchen.
    Vor lauter Schuldgefühlen waren ihre Beine bleischwer, als sie an den Arbeitstisch zurückging. Dominic war so ernst gewesen, und für einen kurzen, flüchtigen Moment war sie in Versuchung gekommen, ihm all ihre Ängste zu beichten.
    Ihr Wunsch, sich ihm anzuvertrauen, war umso größer, seit Crenardieu ihr angedroht hatte, sie an Ryle zu verraten. Könnte Dominic ihr – oder, wichtiger noch, Ewan – helfen, der Gefahr zu entkommen, die ihnen einem mörderischen Drachen gleich auflauerte? Könnte sie vielleicht einen Tauschhandel mit Dominic vereinbaren? Wenn sie ihm alles sagte, was sie über Crenardieu wusste, würde er Ewan und sie dann sicher aus Clovebury wegbringen?
    Oder wäre alles zerstört, sobald sie es ihm erzählte? Würde Dominic genauso angewidert sein wie in ihrem Alptraum? Womöglich würde er sie verachten, weil sie nicht

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