Begehrter Feind
Spaziergang machen.«
Ein leises Rascheln verriet ihm, dass Gisela sich bewegte. Er spürte, wie fieberhaft sie nach einem Ausweg aus ihrer misslichen Lage suchte – in die sie sich selbst gebracht hatte.
Eine ungeheure Wut kochte in ihm. Warum hatte sie ihm die Wahrheit nicht schon vor Tagen gesagt?
Dominic griff nach Adas Hand und ließ die Münzen hineinfallen. »Du bleibst, bis wir zurück sind!«
Adas Blick wanderte von den Münzen an Dominic vorbei. Zweifellos wollte sie Giselas Zustimmung einholen. »Aber …«
»Gut, dann wäre das geklärt.« Dominic drehte sich zu Gisela um, die sogleich zurückwich. »Nimm deinen Umhang!«
Sie funkelte ihn trotzig an. »Bleiben wir lange weg?«
Beinahe hätte er gelacht. »Das hängt ganz von dir ab.«
Und, Gott stehe mir bei, davon, was ich mit dir zu tun entscheide, süßes Gänseblümchen, sobald ich die Wahrheit kenne. Und zwar nicht nur so viel, wie du mir verraten möchtest, sondern die ganze Wahrheit, bis hin zur letzten, bitteren Einzelheit.
Sie presste die Lippen zusammen, holte jedoch ihren Umhang vom Wandhaken und hängte ihn sich über.
»Wo geht ihr hin?«, fragte Ewan und sah Dominic sehr besorgt an.
»Wir gehen nicht weit.« Dominic wuschelte ihm durchs Haar.
»Warum siehst du so böse aus?« Ewan scharrte unglücklich mit den kleinen Füßen. »Du siehst aus, als wenn du gleich anfängst zu schreien, so wie Vater.«
Dominic verzog das Gesicht, denn unter keinen Umständen wollte er Giselas früherem Mann ähneln.
»Ewan …«
»Ich mag nicht, wenn du so guckst. Da wird mir so komisch im Bauch.«
Komisch?
Dominic unterdrückte ein Stöhnen. »Deine Mama und ich müssen ein paar wichtige Sachen bereden. Und hinterher bin ich bestimmt nicht mehr so … verärgert.«
Gisela kam zu ihm und zog sich die Kapuze über, so dass ihr Gesicht halb im Schatten war.
Ein Locke lugte darunter hervor, die Dominic unter den dicken Wollstoff schob. »Geh einfach neben mir, als wären wir ein Paar, das einen harmlosen Abendspaziergang unternimmt.«
»Wie sollte ich sonst gehen?«, murmelte sie, während sie auf die Tür zusteuerte.
Er kam ihr nach. »So jedenfalls nicht.«
Gisela hob beide Hände. »Dominic!«
»Es ist besser, wenn Crenardieus Männer uns nicht folgen«, erklärte er bestimmt. »Und du erregst ihr Interesse, wenn du losmarschierst, als wolltest du jemanden verprügeln – nämlich mich.«
Immerhin kräuselten sich ihre Mundwinkel ein klein wenig, während Ada hämisch schnaubte.
Dominic beugte sich weiter zu Gisela. Der Duft ihres Haars, ihr Körper, ihre Süße, sie alle stellten seine Entschlossenheit auf die Probe, doch er ignorierte sie. »Ich versuche, ritterlich zu sein«, sagte er leise genug, dass nur sie es hören konnte. »Ich möchte deine Erklärung, wie du an die Seide gelangt bist, damit ich begreife, warum du mich belogen hast. Solltest du mir allerdings etwas vormachen, werde ich dich an mein Pferd binden und dich nach Branton Keep schleppen, wo du de Lanceau selbst Rede und Antwort stehen musst.« Er machte eine kurze Pause, um seine Worte wirken zu lassen. »Du hast die Wahl.«
»Ich weigere mich ja gar nicht, mit dir zu gehen«, zischte sie ihm zornig zu.
»Dann tust du, was ich sage!« Er ging an ihr vorbei, öffnete die Tür und bedeutete ihr, hinauszugehen. »Nach dir.«
Sie trat über die Schwelle und einen Schritt beiseite, um ihn vorbeizulassen. Nachdem er Ada zugenickt hatte, schloss er die Tür hinter ihnen. Dann wies er in Richtung Marktplatz. Wie er verlangte, blieb Gisela brav an seiner Seite. Ihre Schuhe knirschten leise auf dem festen Sand.
Eine frühabendliche Brise wehte, erfüllt von der typisch schweren Note des nahenden Zwielichts. Im Gehen blickte sich Dominic unauffällig auf der Straße um. Keine Spur von Crenardieus Schergen. Entweder waren sie bei ihm, um Bericht zu erstatten, oder aber sie hatten sich zum Essen weggeschlichen.
Dominic beschleunigte seine Schritte ein wenig und stellte zufrieden fest, dass Gisela es ihm gleichtat. Obwohl er allein mit ihr sprechen wollte, ohne Ewan und Ada, die sie ablenkten oder sich einmischten, war er ungern nach Einbruch der Dunkelheit draußen. Seine Unterhaltung mit Crenardieu gestern Abend hatte ihm eine vage Vorstellung dessen vermittelt, was sich hinter der idyllischen Fassade Cloveburys abspielte. Und das genügte ihm vollends.
Er überquerte den Markt zu den gegenüberliegenden Straßen und führte Gisela an Häusern und Läden vorbei, bis
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