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Begehrter Feind

Begehrter Feind

Titel: Begehrter Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Kean
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gegangen.
    Ewan schniefte neben Gisela, und Ada murmelte: »Ist ja gut!«
    Gisela hätte am liebsten laut gestöhnt. Sie sollte Ewan trösten, nicht Ada! Nur war sie wie gelähmt vor Panik. Ihre Glieder fühlten sich bleiern an, ihr Verstand war vor Angst blockiert. Sie versuchte es, aber sie konnte einfach nicht den Blick von Ryle abwenden.
    Schweiß lief ihr zwischen den Brüsten hinunter, während ihre Füße kalt wie Eisblöcke waren.
Kämpfe, Gisela!,
schrie es in ihr.
Du darfst nicht vor Ryle zu Kreuze kriechen! Lass nicht zu, dass er Ewan und dich zerstört!
    Sie versuchte, ihrem Sohn ermutigend zuzulächeln, was ihr nicht gelingen wollte. Ryle stand fast an derselben Stelle, an der Ewan ihre Schatzkiste ausgekippt hatte, die eleganten Stiefel einen Fuß breit auseinander, eine Hand in die Hüfte gestützt. In der anderen hielt er eine Lederflasche, aus der er mehrmals einen Schluck nahm.
    Ryles silbergraues Haar fiel oben über den Kragen des knöchellangen Umhangs. Trotz des gedämpften Lichts entging Gisela nicht, wie edel das an den Armaufschlägen mit Silberfäden verwebte Tuch war. Ein teures Kleidungsstück. Unwillkürlich fragte sie sich, wie viel er bisher ausgegeben haben mochte, um sie zu finden – und was er Crenardieu bezahlt hatte, damit dieser ihm enthüllte, wo sie war.
    Das Tintenschwarz des Umhangs – die Farbe der tiefsten, gefährlichsten Nachtstunden – umhüllte Ryle nicht bloß, sondern schien seine Gegenwart noch zu betonen. Er sah größer aus, als sie ihn in Erinnerung hatte, imposanter, als hätte er sich in seiner Wut und seinem Hass zu einem noch gewaltigeren Monstrum ausgewachsen. Sie starrte ihn in stummem Entsetzen an und wusste, dass ihm nichts verweigert würde, was er verlangte.
    Und er wollte, dass sie litt.
    Nun drehte er sich um und sah auf ihre und Ewans Pritschen an der Wand hinab sowie auf Sir Smug, der halbnackt auf seinem »Feldbett« lag. Plötzlich schien ihre Hoffnung auf ein unabhängiges Leben nichts als eine alberne Illusion, so nichtig wie ein Lagerfeuer aus einem kleinen Stück Holz und ein Bett aus einem gefalteten Stoffrest. Sie war ebenso verwundbar wie Sir Smug. Ihr Traum von Freiheit würde unter Ryles Stiefeln zermalmt werden.
    Kämpfe, Gisela!,
schrie es erneut in ihr.
Du musst! Hast du vergessen, was du Ewan und Dominic versprachst?
    Ryle verschloss seine Feldflasche und steckte sie unter seinen langen Mantel. »Hier also hast du dich verkrochen,
Weib
.« Weder sah er sie an noch erhob er die Stimme, aber die Wahl seiner Worte ängstigte sie mehr als seine Zornausbrüche.
    Wird er mich jetzt töten? Oder bringt er erst Ewan um, damit mir das Herz bricht, ehe er mich ermordet?
    »Du hast alles weggeworfen, was ich dir anbot – mein Herrenhaus, feine Kleider, das Ansehen einer reichen Kaufmannsfrau –, für
das
?« Ryle schwenkte die Hand über die ärmlichen Möbel und den Lehmboden. Seine Schultern zuckten, als er ungläubig lachte.
    Kämpfe, Gisela! Für deinen Sohn! Für Dominic!
    Sie zwang sich, etwas zu erwidern. »Ja, habe ich.«
    Schlagartig erstarb Ryles Lachen, und seine Schultern spannten sich an. Gisela spürte seinen Zorn, auch wenn er sich immer noch nicht zu ihr umdrehte.
    »Du hättest nicht weglaufen sollen«, sagte er.
    Sie erbebte unter seinem strengen Tonfall.
    »Ich hatte dich gewarnt«, fuhr er viel zu ruhig fort. »Ich hatte dir gesagt, was geschehen würde.«
    »Vater«, begann Ewan und rutschte von der Bank neben Gisela.
    Die Sorge riss Gisela aus ihrer Schockstarre. »Nein …«
    Jetzt wandte Ryle sich abrupt zu ihnen. In seinen Augen funkelte es unheimlich, als er mit einem Finger auf Ewan zeigte und brüllte: »Sprich nicht mit mir!«
    Ewan wich zurück und schmiegte sich furchtsam an Gisela.
    Ryles Mund verzerrte sich zu einem hämischen Grinsen. »Setz dich hin!«
    Brav kletterte Ewan auf die Bank zurück, wo er schluchzend auf Adas Schoß kroch, die ihn in die Arme nahm.
    Obgleich Giselas Instinkt sie ermahnte, ihre Worte mit Bedacht zu wählen, hatte sie die monatelange Sorge, das ewige Verstecken und das Leben mit bescheidensten Mitteln gestählt und ihr einen Kampfgeist verliehen, der sich nicht stumm stellen wollte. »Rede nie wieder so mit Ewan!«
    Ryle sah sie erschrocken an, bevor sein Blick etwas Stechendes, Feindseliges bekam. »Und warum zur Hölle nicht? Er ist mein Sohn.«
    Ist er nicht. Er ist Dominics Sohn, wie du sehr wohl weißt!
Doch das konnte sie nicht laut aussprechen, denn Ewan wusste es noch

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