Begehrter Feind
seinem Schwert zu langen.
Fluchend wollte der Kniende sich aufrichten, doch Gisela holte schon tief Luft, hob die Schale in die Höhe und ließ sie auf ihn niederkrachen. Im letzten Moment wich er ihr aus, so dass ihn die Schale nur an der Schulter traf. Allerdings war deutlich das Geräusch brechender Knochen zu hören. Er brüllte vor Schmerz und krümmte den verwundeten Arm an seine Brust.
Gisela erschauderte bei seinem Schmerzensschrei. Aber in diesem Kampf durfte sie kein Mitleid zeigen, also verdrängte sie jede Regung von Reue. Sie würde die Kerle schließlich nicht töten, sondern lediglich davon abhalten, ihr und Ewan zu folgen. Ihrer beider Überleben – und Dominics – rechtfertigte verzweifelte Maßnahmen.
Als Ada schrill aufschrie, sah Gisela zu ihr. Der andere Schurke richtete seine Waffe auf sie, doch bevor er Gisela etwas tun konnte, trat Ada ihm ins Gemächt. Heulend packte er sich an den Schritt, stolperte rückwärts an die Wand und sank dort zusammen. Ada ballte beide Hände zu Fäusten und knallte sie ihm mit voller Wucht auf den Kopf. Nun fiel er endgültig um, und sein Schwert landete klappernd auf dem Boden.
»Ha!« Ada klatschte in die Hände. »Geschafft!«
Gisela packte ihre noch heile Schale fester und blickte wieder zu dem Mann vor ihr. Seine Schulter sah merkwürdig verformt aus, und während er sie wütend anfunkelte, versuchte er, nach seinem Schwert zu greifen. Gisela hob die Schale hoch. Der Schurke wollte nach hinten ausweichen, stieß jedoch gegen Ryles Arm. Er stolperte in demselben Moment, in dem Gisela die Tonschale auf ihn niedersausen ließ. Mit einem lauten Knall traf sie den Schädel des Mannes und zersprang. Er schwankte, bevor er quer über Ryle fiel und sich nicht mehr rührte.
Ada grinste. »Gut gemacht!«
Erleichtert wischte Gisela sich die Hände an ihrem Rock ab. »Gott sei Dank, es ist vorbei!«
Ewan kam unter dem Tisch hervor, hüpfte auf und ab und schwenkte sein Schwert durch die Luft. »Mama, du bist auch ein Krieger!«
Ein Krieger.
Ja, fürwahr.
»Danke, Ewan. Und jetzt hol schnell Sir Smug und deinen Mantel! Beeil dich!« Gisela bückte sich, nahm eine der Münzen auf, die auf den Boden gekullert war, und legte sie zu den anderen auf den Tisch.
»Wohin gehen wir, Mama?«
Gisela drehte sich zu ihm um. Er hatte sich nicht von der Stelle gerührt. »Wir beide müssen verschwinden. Ich will weit weg sein, bevor diese Männer wieder zu sich kommen.«
Ein Strahlen ging über Ewans Gesicht. »Verreisen wir? So wie die Ritter in den Liedern?«
»Ja. Und jetzt hol deine Sachen, damit wir aufbrechen können!« Während sie sprach, eilte Gisela zu ihrem Strohbett, nahm es auf und holte ihre Kiste sowie einen Beutel mit Silber darunter hervor – ihre gesamten Ersparnisse. Beides stopfte sie in eine Stofftasche, zog sich ihren Umhang über und hängte sich die Tasche über die Schulter. Dann sah sie wieder zu Ewan, der summend in seinen Mantel schlüpfte. Noch nie hatte er sich so schnell angezogen.
Als Gisela zu ihm ging, nahm Ada die Münzen vom Tisch, stellte sich Gisela in den Weg und hielt ihr das Geld hin. »Nimm das, und geh so weit weg von hier wie möglich!«, sagte Ada sehr ernst. »Das reicht, um dich bis in die nächste Grafschaft zu bringen.«
Gisela blickte auf das Silber hinab. Ada hatte recht. Dieses Silber, zusammen mit dem, was sie gespart hatte, würde reichen, um ein neues Leben zu beginnen. Es war zwar nicht annähernd so viel, wie Crenardieu ihr versprochen hatte, aber genügend.
Sie glaubte, die Freiheit fast schmecken zu können.
Als könnte sie ihre Gedanken lesen, sagte Ada: »Falls dieser Dominic dich mag, wird er wollen, dass du und dein Sohn außer Gefahr seid.«
Leise flüsterte Gisela ihr zu: »Er ist auch sein Sohn.«
»Sein …« Ada riss die Augen weit auf. »Oh!« Sie sah zu Ewan, dann zu Gisela und schließlich zu Ryle. »Oh!«
Gisela blinzelte angestrengt. »Ada, bist du sicher, dass du das Silber entbehren kannst?«
»Für dich und deinen süßen Jungen? Allemal!«, antwortete sie und tätschelte Gisela die Hand. Als sie lächelte, bebte ihr Kinn ein wenig. »Und nun macht, dass ihr wegkommt!«
Seufzend schaute Gisela sich ein letztes Mal in ihrem Zuhause der letzten Monate um. Ihr Blick verharrte bei Ewan, der mit seinem Schwert in der Hand und Sir Smug unter dem Arm an der Tür stand, als wollte er die Männer auf dem Boden bewachen.
»Ich danke dir!«, flüsterte Gisela Ada zu. »Ich zahle es dir
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