Begehrter Feind
zurück, sobald ich kann.«
Die Hebamme winkte ab. »Nein, Gisela. Und jetzt los mit dir, bevor ich diese Schurken noch mal verhauen muss. Ach ja, und ehe du es sagst oder auch bloß denkst: Ich werde nicht hier sein, wenn der französische Trottel zurückkommt. Er weiß nicht, wo ich wohne, also bleibe ich vorläufig zu Hause, und alles wird gut.«
»Mama, komm schon!«, drängelte Ewan.
Gisela ließ das Silber in ihren Münzbeutel fallen, hängte sich die Tasche wieder über und lief zu Ewan. Während sie Ada ein letztes Mal zuwinkte, sagte sie: »Beginnen wir unsere aufregende Reise!«
Kapitel 16
A ls käme er aus einem dichten Nebel, nahm Dominic nur langsam alle Geräusche um sich herum wahr: Stiefel, die über festen Boden scharrten, Gemurmel, Lachen, das Knistern eines Feuers.
Er war nicht mehr auf dem Pferderücken, sondern lag mit geschlossenen Augen bäuchlings auf der Erde, die nach Moder und verrottendem Laub roch. Ein Luftzug wehte über ihn hinweg, der von irgendwo vor ihm kam – einer Tür oder einem offenen Fenster – und ihm Stirn und Hände kühlte. Seine Finger waren in den Schmutz gepresst.
Er krümmte sie vorsichtig, bis er die Erdkrümel unter seinen Nägeln spürte, und dankte allen Heiligen, dass er nicht im Delirium war und sich alles bloß einbildete. Dann bewegte er die Hände ein klein wenig, um die Erde genauer zu betasten. Ein vager Schmerz machte ihn lächeln. Gut. Er hatte immer noch Gefühl in den Händen. Seine Arme waren zwar bleischwer, aber es waren keine Knochen gebrochen.
Als Nächstes überprüfte er seine Füße sowie die Beinmuskeln. Zu seiner Erleichterung schien sein Körper vollständig intakt. Nun wagte er, den Kopf ein bisschen zur Seite zu drehen. Eine verklebte Locke fiel ihm ins Gesicht, doch obwohl sie ausgerechnet auf seinem blauen Auge landete, ignorierte er sie und blinzelte ins Halbdunkel. Einige Meter entfernt brannte ein frisch aufgeschichtetes Lagerfeuer in einem Steinkreis, um das mehrere von Crenardieus Schlägern herumsaßen und sich unterhielten.
Unvorsichtige Halunken! Sie bemerkten gar nicht, dass er wach war. Noch dazu hatten sie ihm die Fesseln abgenommen, weil sie wohl glaubten, er bliebe eine ganze Weile länger ohnmächtig. Diesen Fehler musste er zu seinem Vorteil nutzen.
Schlagartig machte er sich entsetzliche Vorwürfe. Er hatte sich fest vorgenommen, wach zu bleiben, damit er alle Informationen bekam, die er brauchte, um einen Sieg für Geoffrey zu erringen. Und er hatte geschworen, Gisela und Ewan zu retten. Trotzdem hatte er seinen Verletzungen nachgegeben, hatte Geoffrey, Gisela und Ewan im Stich gelassen.
Er wollte schlucken, doch sein trockener Mund, in dem er immer noch Blut schmeckte, verweigerte ihm den Dienst. Ein Bild von seinem Vater tauchte in seinen benebelten Gedanken auf. Er wollte es ignorieren, aber es blieb einfach da – so unbarmherzig, wie es der Mann gewesen war, der sich sein Vater nannte.
Wieder fühlte Dominic sich um Jahre zurückversetzt, zu jenem Moment auf den windigen Zinnen der Burg seines Vaters. Und dieser zuckte auf die vertraute strenge Art mit den Schultern und sagte: »Du enttäuschst mich, Dominic. Du wirst deinem Bruder nie ebenbürtig sein.« Sein Mund, der so rasch Lob für Dominics älteren Bruder hervorbrachte, war jetzt nur zu einem missbilligenden, bitteren Lächeln verzogen.
Prompt empfand Dominic dieselbe Wut und Verachtung wie an jenem Tag. »Vater, er und ich sind sehr unterschiedlich.«
»Bei Gott, hörst du mir endlich zu? Wann wirst du aufhören, das Leben eines rücksichtslosen Narren zu führen, und dich deinen Pflichten stellen? Du bist der Sohn eines Lords. Mein Sohn! Du bist es der Familie schuldig, das zu tun, was deine Abstammung von dir verlangt! Falls nicht, enttäuschst du uns alle – ganz besonders mich.«
»Bei allem gebührenden Respekt, Vater, jemand muss sich um Mutter kümmern. Sie … ihre Krankheit schwächt sie jeden Tag mehr.«
»Ich weiß.« Dominics Vater blickte hinaus über das Land. Sein silbergraues Haar war von derselben Farbe wie der Stein hinter ihm. »Sie füllt dir den Kopf mit Geschichten, aber Märchen, Dominic, gewinnen weder Schlachten noch schlagen sie den Feind nieder. Einzig ein begabter Krieger kann seiner Familie und seinem König von Nutzen sein.«
»Ich schwinge das Schwert und schieße den Bogen gut genug, Vater.«
Sein Erzeuger seufzte ungeduldig. »Nicht so gut wie dein Bruder.«
Es gab einen dumpfen Knall: ein Scheit, der
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