Begierde
Gerichtsverhandlung gekommen war.
Nur ungern hatte sie dem Auftrag ihres neuen Kunden zugestimmt, seine Stiefschwester ungeachtet ihres Willens zur Erziehung aufzunehmen. Es entsprach nicht ihren Geschäftspraktiken, junge Frauen zu entführen. Aber sowohl er selbst, als auch der andere Neukunde, sein Geschäftspartner, erschien ihr sehr zahlungskräftig und als sie dann auch noch Stefano Erkundigungen einholen ließ und erfuhr, dass hinter dem jungen Mann ein einflussreicher Vater mit Verbindung zu Politik und Wirtschaft stand, wusste sie, dass sie es sich nicht leisten konnte, diese Kundschaft zu verprellen und den Auftrag abzulehnen.
Stefano und Tomaso oblag die Aufgabe, für die innere und äußere Sicherheit zu sorgen, im Zweifelsfall aber auch disziplinarische Maßnahmen zu übernehmen. Es kam durchaus vor, dass mal eine der Ehefrauen durchdrehte und nach Hause wollte, insbesondere, wenn sie ihre Kinder vermisste. Mit einer kleinen Züchtigung und einem beruhigenden Gespräch war das Thema aber in der Regel aus der Welt geschafft.
Die Patrona ahnte, dass Vicky eine neue Herausforderung war. Sie befürchtete, dass ihr Verhalten die allgemeine Moral bei den Mädchen untergraben würde und. Außerdem musste die Erziehung bald Früchte zeigen. Der erste Termin für die Begutachtung der Mädchen stand bereits fest. Vickys Fluchtversuch machte es unumgänglich, hart durchzugreifen.
Vicky blieb keine Zeit sich umzuschauen. Sie wehrte sich und schrie. Dabei nahm sie nur am Rande wahr, dass der Raum klein und absolut leer war, ohne Fenster, nur mit Abluftschächten und großen Rohren an den Wänden. Kaum war sie von dem Sack befreit worden, zogen Tomaso und Stefano sie aus, packten sie an den Händen, schleiften sie mit sich. Sie verlor den Halt auf dem Boden. Die Männer ließen sie in einen von oben bis unten grau gekachelten Schacht hinab, der über zwei Meter tief im blanken Betonboden eingelassen war. Es war so eng, dass sie nicht einmal ihre Arme gerade vor sich ausstrecken oder aber in die Hocke gehen konnte. Sie war dazu verdammt aufrecht zu stehen. Die Wände waren so glatt, dass ein Emporklettern unmöglich war, und zu hoch, um zu springen und sich selbst nach oben zu ziehen. Vier Strahler leuchteten unbarmherzig jeden Winkel des Schachts aus und blendeten so sehr, dass sie vermied nach oben zu schauen.
Ihr Schreien half nichts. Kaum war sie unten, prasselte von oben ein Strahl kalten, wahrhaft eiskalten Wassers auf sie herab. Vicky erinnerte sich später nur, dass sie noch lauter geschrien hatte, so laut, dass es ihr aufgrund der Enge des Schachtes in den eigenen Ohren gellte.
Als sie aufhörte zu schreien, stoppte das Wasser. Dann trat absolute Stille ein, unerträgliche Stille.
Vicky sah die Kacheln an. Sie begann zu zählen, mit den Augen den Fugen zu folgen, sich zu drehen. Es sah alles gleich aus. Unter ihren Füßen war der Boden zur Mitte leicht abfallend und das Wasser verschwand dort in einem Abfluss. In den Ecken zwischen Boden und Wänden waren die Fugen von Schimmel geschwärzt. Es schauderte sie vor Ekel. Langsam ging ihr Blick wieder nach oben und erst jetzt sah sie, dass überall in den Ritzen kleine Schimmelpilzkolonnien wucherten. Sie würgte. In diesem Moment traf sie ein kalter Strahl und sie hob schützend die Hände über ihren Kopf.
Anstelle der Strahler hatte man irgendwo im Raum ein anderes Licht angelassen, aber Vicky erreichte davon nur ein fahler Schein. Im Kontrast zu vorher stand sie fast im Dunkeln. Es war ihr lieber. So sah sie wenigstens nicht mehr die Schimmelflecken und konnte sich einbilden, da sei nichts. Sie schlotterte erbärmlich unter ihrer nassen Haut und den klitschnassen Haaren, die nur langsam trockneten.
Man würde sie herauslassen, wenn sie zur Vernunft gekommen wäre und sich glaubhaft unterwerfen würde, sagte Tomaso. Er würde sie nicht alleine lassen, sondern die ganze Zeit über da bleiben. Sie könne ihn also jederzeit rufen und mit ihm reden.
Vicky hatte sofort gebettelt und das Blaue vom Himmel versprochen, aber Tomaso hatte darüber nur gelacht. Sie müsse ihre Demut schon glaubwürdiger verkaufen.
Aber er begnügte sich nicht mit Warten. Anfangs zählte Vicky noch die kurzen kalten Güsse, die von Zeit zu Zeit über ihr niedergingen. Dann nahm sie es einfach hin. Mit jedem neuen Schauer reifte in ihr die Erkenntnis, dass ihr nichts anderes übrig bleiben würde, als sich zu fügen. Doch dann wuchs erneut ihr Widerstand. Nein, sie würde sich
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