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Begierde

Begierde

Titel: Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilly Gruenberg
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gemeinsame Sekretärin Isabella zwischen Aktenschränken und Telefonanlage herrschte, und die Arbeit, soweit möglich, auf zwei weitere Sekretärinnen verteilte, deren Büro auf der gegenüberliegenden Seite des Flures lag.
    Nichts hatte sich in Marcs Büro verändert, seit er aus Deutschland zurückgekehrt war. Fast nichts. Auf dem Sideboard hinter ihm waren neuerdings zwei alte Fotorahmen aufgestellt. Eines zeigte Marc mit seinen Eltern zu einem Zeitpunkt, als die Familienwelt noch in Ordnung war. Das zweite zeigte ihn, wie er einen Arm beschützend um Vickys Schulter legte.
    Die Tür ging auf und Isabella brachte die Mappe mit unterschriftsfertigen Schriftstücken herein. Sie legte sie vor Marc auf den Schreibtisch und beugte sich dabei ein wenig mehr als nötig zu ihm herunter. Doch im Gegensatz zu Antonio schien er ihren tiefen Ausschnitt und den Ansatz ihrer wohl gerundeten Brüste gar nicht wahrzunehmen. Antonio sah die kaum unterdrückte Enttäuschung auf ihrem Gesicht. Es war offensichtlich, dass Isabella gerne mehr für Marco gewesen wäre als seine Sekretärin, aber er hatte kein Auge für sie.
    Antonio wartete, bis Isabella die Tür hinter sich geschlossen hatte. »Nun Marco? Du kannst nicht leugnen, dass du unkonzentriert bist, seit deine Schwester sich in diesem Etablissement befindet.«
    Ein qualvolles Seufzen entrang sich Marcs Kehle. »Ja, ja du Quälgeist. Du hast recht, es geht um Vicky. Ich frage mich, ob ich richtig gehandelt habe.«
    »Warum? Du hast doch gesagt, sie hat es mit jedem getrieben und wurde ihrer Mutter immer ähnlicher? Du wolltest doch nur das Beste für sie, sie auf den richtigen Weg bringen, ehe es zu spät ist.«
    »Hm. Ganz so war es nicht. Aber das spielt keine Rolle mehr.«
    Marc versank wieder in Schweigen.

    »Nun? Komm schon, du hast gerade erst angefangen zu reden – jetzt brüte nicht wieder vor dich hin. Ich sterbe vor Neugierde.« Antonio beugte sich vor, lehnte seine Arme auf der Tischkante auf. »Was hat dich umgestimmt?«
    Marc schüttelte den Kopf. Seit Tagen sah er ihr Bild vor seinem inneren Auge. Es ließ ihn nicht schlafen. Ihr Gesichtsausdruck erschien ihr ängstlich, fast vorwurfsvoll, das Betteln um Liebe und Zuwendung in ihrem Blick machte ihn krank. Umso mehr seit er wusste, dass er sich geirrt hatte. Wo war die selbstbewusste junge Frau, ihre Arroganz und Überheblichkeit geblieben, mit der er sie beim Notar angetroffen hatte, die sie in den wenigen Stunden danach gezeigt hatte? Er hatte sich so sehr gewünscht, dass sie zu der Natürlichkeit ihrer Jugend zurückfand. Aber jetzt, wo sie ihn in der Tat fast wieder an das Bild erinnerte, das er in seinem Gedächtnis mit sich trug, wie sie als junges Mädchen gewesen war, – jetzt hatte er plötzlich Angst, sie könnte an dem zerbrechen, wozu er sie gezwungen hatte und an dem, was ihr noch bevor stand. Es hing soviel davon ab, dass der Mann, mit dem sie ihr erstes Mal erleben würde, einfühlsam und geduldig war.
    Marc benötigte dringend Ablenkung. Das nervöse Trommeln von Antonios Fingern auf der Tischplatte machte ihn krank. Eigentlich hatte er einen vollen Terminkalender, in der Produktionshalle brauchten sie ihn, mindestens fünf wichtige Leute warteten auf seinen Rückruf. Aber er konnte sich einfach nicht auf seine Arbeit konzentrieren.
    Zuerst bildete er sich ein, seine Schwester entführen, erziehen und zwangsverheiraten zu lassen – und dann entwickelte er auf einmal Skrupel.
    Es klopfte und Isabella kam herein, legte die Post auf seinem Tisch ab. Marc betrachtete sie ein wenig aufmerksamer als sonst. Sie war eine gut aussehende junge Frau. Mit kurz geschnittenen, brünetten Haaren, einer modischen schmalen Brille, einem schlichten, sehr eng geschnittenen gelben Kleid. Nett und hübsch, aber nicht sein Typ.
    Ab und an hatte er den Eindruck, dass sie in ihn verliebt war, wenn sie länger als notwendig in seinem Büro verweilte oder ihn mit Tiramisu und Espresso verwöhnte. Er brachte es einfach nicht übers Herz, sie darauf anzusprechen und ihr einen Korb zu erteilen. Eine nette und hübsche Frau wie Isabella müsste doch längst einen festen Freund gefunden haben.
    Es war kurz vor Feierabend. Zuerst dachte Marc, er hätte Isabella falsch verstanden. Doch dann begriff er, dass sie ihn ins berühmte Teatro Argentina einlud und ihm kein Argument einfiel, dies abzulehnen. Das Teatro Argentina war eines der ältesten Theater in Rom, doch obwohl er sich dafür interessierte, war er noch nie drin

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