Begierde
Polsterstoffe. Kannst du dich aufraffen, an der Besprechung in einer Stunde teilzunehmen?«
»Hm, ja. Ja, ich werde kommen.«
»Bene.« Antonio hatte schon die Türklinke in der Hand, als er sich noch einmal umdrehte. »Übrigens, ich habe mir die Fotos per Email schicken lassen, von dem Heiratsinstitut. Ein Mädchen gefällt mir besonders. Ich möchte dein Urteil hören.«
»Hm.«
»Auf dem Fest! Du hast doch nicht vergessen, dass wir eingeladen sind?«
»Ufff, das glaube ich nicht, dass ich dorthin gehe …«
»Wir werden ja sehen.«
Nachdenklich blieb Marc alleine zurück. Neue Informationen über Vicky warfen ein völlig anderes Licht auf ihr Verhalten. Es wäre ihm lieber gewesen, die Patrona hätte ihn nicht angerufen. Bisher hatte er seine Entführung damit gerechtfertigt, dass er verhindern musste, dass sie sich weiterhin unzüchtig und hemmungslos aufführte, und sich ihr Leben verbaute. Doch ganz so einfach war es nun nicht mehr. Zwar war ihr Verhalten mit nichts zu rechtfertigen, aber war das eine Berechtigung, sie zu einer tiefgreifenden Änderung ihres Lebens zu zwingen, wie er es veranlasst hatte?
Der tiefe Schmerz, von dem er geglaubt hatte, er hätte ihn in all den Jahren überwunden, war wieder entfacht worden. Vielleicht hätte er geweint, wenn er schwächer gewesen wäre. Aber soviel Mitgefühl gestattete er sich nicht, obwohl Vicky ihm von Herzen leid tat. Doch die Zeit war nicht zurück zu drehen. Er würde sie nicht dort heraus holen und in eine ungewisse Zukunft entlassen.
Das Foto, das er vor sich auf dem Tisch liegen hatte, war aktuell. Ein Abzug der Bilder, die man von ihr gemacht hatte, um sie potentiellen Interessenten zu zeigen. Ihre nixengrünen Augen schienen ihn vorwurfsvoll zu durchbohren.
Vicky
, flüsterte er vor sich,
Vicky, was habe ich nur getan?
Leise jammernd vergrub er sein Gesicht in den Händen.
Ihm blieb nur eine Möglichkeit. Er würde wenigstens dafür sorgen, dass sie einen guten Ehemann bekam. Einen, der sie aufrichtig liebte und nicht ausschließlich als Spielzeug ansah. Denn eines wollte er ganz gewiss nicht, dass Vicky durch seinen Fehler unglücklich würde. Er musste sich einen Überblick über die Interessenten und Vickys geheime Wünsche verschaffen. Vielleicht sollte er wirklich mit zum Fest fahren, nicht nur weil Antonio sein bester Freund war und ihn um einen Rat gebeten hatte. Andererseits war es Wahnsinn. Er konnte Vicky nicht gegenüber treten. Sie würde ihm die Augen auskratzen. Nein, Antonio musste alleine hinfahren und bei der Gelegenheit ein wenig für ihn spionieren.
Der Ausflug
Seit Tagen drückte die Schwüle allen aufs Gemüt. Die Mädchen waren kaum dazu zu bewegen, neben dem Unterricht ihr körperliches Training zu absolvieren. Laufband, Trimmdichrad, Krafttraining – der Fitnessraum im ersten Stock bot alles, was nötig war, um durchtrainiert und fit zu sein. Doch selbst morgens war es zu heiß, um sich zu verausgaben.
Stefano klopfte gegen Ende des Abendessens an sein Weinglas. Alle sahen zu ihm ans Tischende. »Ich habe euch eine angenehme Mitteilung zu machen. Ihr habt alle gut gearbeitet und deshalb genehmigt euch die Patrona für morgen einen Ausflug ans Meer.«
Die Köpfe schwenkten synchron zum anderen Tischende und einige der Mädchen klatschten vor Freude in die Hände. »Danke, vielen Dank, Patrona!« Elenas Ausruf sprach allen aus dem Herzen. Die Patrona lächelte zufrieden. Ihr Fächer war ununterbrochen in Bewegung. Selbst angesichts der erschöpfenden Schwüle war ihre Haltung den Mädchen ein Vorbild.
»Also –«
Die Mädchen drehten sich wieder zu Stefano.
»Wir wurden von einem unserer Interessenten auf seine Yacht eingeladen. Er würde gerne alle von euch kennenlernen, soweit das innerhalb der Zeit möglich ist, da er sich noch nicht festgelegt hat, welchen Typ er bevorzugt. Wenn er nicht mit jeder gleich lange spricht, solltet ihr nicht enttäuscht sein. Vielleicht findet er ja schnell seine Favoritin heraus und kümmert sich dann nur noch um sie.« Stefano zwinkerte den Mädchen zu und einige kicherten. »Da wir morgen früh mit einem Bus losfahren, müsst ihr etwas eher als sonst aufstehen. Tomaso und ich werden dabei sein, uns aber nur einmischen, falls es ein Problem gibt. Verstanden?« Die meisten nickten.
»Heißt das, wir fahren mit einer Yacht auf das Meer hinaus?«, fragte Gabriella.
»Si, Signor Moreno verbringt einen längeren Urlaub auf seiner Yacht, die derzeit im Hafen von Anzio vor Anker
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