Beginenfeuer
Ketzerin Marguerite Porète statt. Seine Heiligkeit erwartet von Euch einen umfassenden Bericht über den Verlauf des Verfahrens. Das beiliegende Schreiben unterrichtet den Erzbischof über Eure Aufgabe und weist Euch aus. Nach der Hinrichtung der Marguerite Porète erwarten wir Euch zurück in Avignon.« Simon starrte auf die knappen Zeilen. Der Bericht, den er aus Brügge nach Avignon gesandt hatte, konnte kaum die Zustimmung des Erzdiakons gefunden haben. Er lieferte der Kurie zu wenig Material für ein Vorgehen gegen die Beginen. Plante Seine Heiligkeit etwa, allen Beginen Ketzerei vorzuwerfen? Und was war es für eine Gerechtigkeit, wenn der Erzdiakon schon von Hinrichtung sprach, ehe das Urteil gefällt wurde?
Er hätte gerne gewusst, was in dem beiliegenden Empfehlungsschreiben stand, das er seiner Eminenz dem Erzbischof von Paris übergeben sollte, aber es war ebenfalls versiegelt. Simon warf einen Blick auf das Kreuz an der Wand. »Ausgerechnet Paris. Ysée lebt in Paris. Ist es dein Wille, mich von Neuem zu prüfen, Herr?«
Es verging kein Tag, ohne dass er an sie dachte. Kein Gebet vermochte die Leere zu füllen, die ihre Flucht in ihm zurückgelassen hatte. Würde er sie Wiedersehen? Er versuchte sich jede Hoffnung darauf zu verbieten. Er begann auf der Stelle seine Abreise zu planen.
Der Frühling hatte in Brügge rege Betriebsamkeit entfacht. Sicher war es leicht, einen Handelszug zu finden, in dessen Schutz er die Hauptstadt des Königs ungefährdet erreichen konnte. Die Frage war mehr, welche Gefahren ihm in Paris drohten.
Auf seinem Weg ins Pfarrhaus vernahm er den Lärm der Zimmerleute und Dachdecker, die im Beginenhof die Schäden des Brandes beseitigten. Die Schuppen wurden größer denn je wieder aufgebaut, denn die frommen Schwestern waren in den Genuss unerwarteter Unterstützung gekommen. Piet Cornelis hatte in den ersten Januartagen des neuen Jahres eine dritte Gemahlin gefreit. Die Witwe eines Händlers aus Gent hatte ihm zwar kein großes Vermögen, aber dafür zwei minderjährige Söhne in die Ehe gebracht. Aus Anlass der Hochzeitsfeier hatte der Tuchhändler dem Beginenhof eine großzügige Geldspende gemacht. Angeblich, damit die Beginen für seine und die Gesundheit seiner Gattin beteten. Simon wusste es besser. Cornelis wollte sich von seiner Schuld freikaufen.
Die Bürger von Brügge konnten sich die rätselhafte Großherzigkeit des Kaufmanns gegenüber den Beginen nicht erklären. Mit seinem Vorgehen schwächte er die Front der Gilden gegen sie, und manche Gegner des Weingartens waren gründlich verärgert. Seine Aussichten, das begehrte Bürgermeisteramt zu erringen, machte er damit zunichte.
Pater Felix sah Simon prüfend an, als er ihm mitteilte, er habe sich entschlossen, seine Pilgerreise fortzusetzen. Simon zog es nach gründlicher Überlegung vor, ihm den Grund seines Fortgehens nicht mitzuteilen. Er wollte ihn um keinen Preis beunruhigen.
»Eure Ruhelosigkeit besorgt mich, Bruder. Warum bleibt Ihr nicht in Brügge und versucht mit Eurem Herrgott ins Reine zu kommen? Ihr könnt Euren Zweifeln nicht davonlaufen.« Woher wusste der Priester, dass seine Gewissenskonflikte größer denn je waren, dass er immer mehr zweifelte an der Kirche und daran, dass sie nach Gottes Willen auf Erden handelte. Die Würdenträger waren fast ausschließlich um Reichtum und Macht besorgt. Mildtätigkeit und Gebete, wo blieben sie? »Was treibt Euch fort?« Pater Felix ließ nicht locker. »Der Wunsch nach Frieden«, antwortete Simon. Es war sein sehnlichster Wunsch.
»Den könnt Ihr nur in Eurem eigenen Herzen finden.« Der Priester legte voller Mitgefühl die Hände auf seine Schultern.
Das Hôtel de Sens, wie der Sitz des Bischofs von Paris genannt wurde, weil die Stadt dem Erzbistum von Sens zugeordnet war, bot dem Betrachter einen Wald aus Türmen, spitzen Dächern, umgeben von zinnenbewehrten Mauern. In seinen reich verglasten Fenstern spiegelte sich der Fluss, an dessen Ufer es stand. Die Gardisten Seiner Eminenz bewachten die Tore. Nachdem Simon etliche Kontrollen passiert hatte, stand er dem priesterlichen Sekretär des Erzbischofs gegenüber. Nicht einmal Seine Heiligkeit in Avignon lebte in solchem Reichtum. »Ihr findet uns in Trauer, Bruder. Der Herr hat unseren Erzbischof zu sich gerufen.«
»Er schenke Seiner Eminenz den ewigen Frieden«, erwiderte Simon und überreichte sein Sendschreiben. »Wer verwaltet seine Amtsgeschäfte, wenn ich das fragen darf, bis der Heilige
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