Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Beginenfeuer

Beginenfeuer

Titel: Beginenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Christen
Vom Netzwerk:
kommt.«
    »Tatsächlich? Nach allem, was ich gehört habe, tut er genau dies, indem er die Templer vernichtet. Er nimmt persönliche Rache.«
    Erst hielt Ysée Mathieus Kopfschütteln für die ganze Antwort, doch dann schickte er eine Erklärung hinterher. »Sagen das deine Freunde? Sie täuschen sich. Philipp der Schöne liebt die Macht, aber er tut es nicht aus Eigennutz. Er will seinen Söhnen ein starkes, einiges und großes Königreich hinterlassen, das die Mitte des Abendlandes beherrscht. Ein solcher König beugt nicht das Knie vor der Kirche. Hier geht es um mehr als nur persönliche Empfindlichkeit.« Ysée schwieg, aber die Zweifel standen ihr im Gesicht. Sie grübelte noch über seine Worte nach, als er zu seinem ursprünglichen Anliegen zurückkehrte.
    »Wir müssen endlich darüber befinden, wie dein Leben weitergehen soll. Eigentlich hast du nur die Wahl zwischen Kloster und Ehe.«
    Sie vergaß augenblicklich Templer, Kirche und König. Alarmiert sah sie auf.
    »Wer behauptet das? Euer Bruder? Simon?«
    »Die Vernunft sagt das. Das Kloster können wir, denke ich, ausschließen. Dein freier Geist und dein Hang zum Abenteuer bedürfen einer Aufgabe, die mehr von dir fordert als beten und sticken.«
    »Hört auf! Ich will das nicht hören. Ich will nicht mehr fortgeschickt werden. Ich will selbst entscheiden, was ich tue.«
    »Und das wäre?«
    »Ich will studieren!« Sie sprach hastig weiter, aus Angst, er würde ihr im nächsten Augenblick das Wort verbieten. »Ich weiß, zuvor muss ich Latein lernen und Grammatik, Rhetorik und Dialektik sowie Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie. Aber: Ich habe gehört, es gibt arme Scholaren, die diese Fächer unterrichten. Ihr habt gesagt, Ihr wollt mir helfen. Würdet Ihr mir das Geld für diese Studien geben, damit ich später die Universität besuchen kann? Ich weiß, dass ich es schaffen kann. Es ist mir schon immer leicht gefallen zu lernen.«
    »Und was willst du studieren?«
    » Leges.«
    »Welch eine närrische Idee. Frauen ist das Studium versagt, weißt du das nicht? An der Universität von Paris werden nur Männer unterrichtet.«
    »Dann werde ich eben als Mann studieren!«
    »Du bist kein Mann.«
    »Ich kann einer werden.«
    »Nein.« Mathieu versuchte in aller Nüchternheit ihre Widersprüche zu ersticken. »Du bist eine Tochter Evas. Es war der Wille des Himmels, dass du als Frau auf die Welt gekommen bist, und du musst dich an die Regeln dieses Geschlechts halten. Was ist so arg daran, zu heiraten?«
    »Es wäre nie der Richtige.«
    Tränen hingen an den geschwungenen Wimpern. Sie entwaffneten Mathieu mehr als jedes Wort. Ysée wehrte sich, aber als er sie in den Arm nahm und ihr in langsamen, regelmäßigen Kreisen über den Rücken strich, gab sie auf. Sie weinte hemmungslos.
    »Du musst Simon vergessen«, drang es leise an ihr Ohr. »Er hat sein Leben Gott geweiht, um Vergebung für eine Sünde zu finden, die er in viel zu jungen Jahren begangen hat. Er wollte nie ein Kämpfer werden, aber nun ist er in den schlimmsten Kampf gegen sich selbst verstrickt.«
    »Ich wünschte, ich wäre ihm nie begegnet«, schluchzte Ysée zwischen Verzweiflung und Zorn.
    »Du wirst einen anderen Mann lieben lernen«, behauptete Mathieu. »Ich werde ihn für dich finden. Wenn du erst Kinder hast, wird dein Leben erfüllt sein.«
    »Ihr versteht mich nicht«, warf sie ihm vor. »Ich will keinen Ehemann, und Kinder will ich schon gar nicht. Das Gebären tötet die Frauen.«
    Mathieu wusste, woran sie dachte. Dennoch widersprach er ihr.
    »Es ist die Aufgabe der Frauen, Leben zu schenken.«
    »Ich will lieber studieren.«
    »Sei nicht töricht. Hör auf zu weinen, ehe Jean nach Hause kommt und denkt, ich hätte dich geschlagen. Du verlangst Unmögliches und du weißt es.«
    Ysée ballte die Hände zu Fäusten. Ihre Augen brannten, aber sie konnte wieder klar sehen. Unter größter Anstrengung hielt sie ihre Stimme ruhig. Die Verzweiflung war dem Zorn gewichen.
    »Meine Freunde werden mir helfen.«
    »Deine Freunde werden dich nie wiedersehen.«
    »Wie wollt Ihr das verhindern?«
    Mathieu verlor langsam die Geduld. Sie sah es an den gespannten Linien um seine Mundwinkel, und sie hörte es in seiner nächsten Drohung.
    »Im Notfall werde ich dich einsperren. Es wäre mir aber lieber, du schwörst, nie wieder als Jüngling verkleidet dieses Haus zu verlassen.«
    Sie warf in reinem Trotz den Kopf in den Nacken. »Frauen sind nicht schwurfähig, das wisst Ihr sicher.«

Weitere Kostenlose Bücher