Beginenfeuer
müssen, wem Ihr dienen wollt, Bruder.«
»Ich habe mich bereits entschieden, Eminenz«, sagte Simon und verneigte sich vorschriftsmäßig. »Ich diene Gott dem Allmächtigen.«
Eisige Stille begleitete seinen Abschied. Er zog es vor, seine Kammer aufzusuchen, statt sich an der Tafel der Bischöflichen Residenz blicken zu lassen. Beim Gebet wollten ihm die Worte der Vigilien nicht einfallen. Ysée beherrschte seine Gedanken. Sein Bericht würde dazu beitragen, das Schicksal der Beginen zu entscheiden.
Avignon wartete ungeduldig auf das Vermögen der frommen Frauen. Sicher fertigte der Erzdiakon bereits Listen über seine Verteilung an. Gold für den Haushalt des Papstes. Juwelen für die Messgewänder und Altargeschirre. Seide für die Roben der Dame von Périgord. »Ist dies dein Wille, o Herr?« Simon erhielt keine Antwort.
V IERZEHNTES K APITEL
Neue Wege
M ATHIEU VON A NDRIEU
Paris, Cité, 14. Juni 1310
Das Pergament mit dem königlichen Siegel wog schwer in seiner Tasche. Mathieu hatte es sich teuer erkauft, und er hoffte, dass es seinen Preis wert sein würde. Seine Majestät war nur widerstrebend bereit gewesen, seinem persönlichen Wunsch Gehör zu schenken. Nur die Tatsache, dass er noch nie um eine Gunst gebeten hatte, wie jene, dass der Finanzminister und Nogaret in diesen Tagen um jedes noch so kleine Privileg feilschten, hatten am Ende den Stimmungsumschwung des Monarchen bewirkt.
»Wenngleich ich es unsinnig finde, dass Ihr die Demoiselle von Courtenay zu den Beginen schicken wollt«, hatte er abschließend angefügt. »Die beste Art, derlei Familienzwiste zu beenden, ist eine Ehe. Heiratet das Mädchen. Es ist ohnehin an der Zeit, dass Ihr Euch um einen Erben kümmert.«
»Ich habe kein Lehen, Sire.«
»Und Eure Begine vielleicht bald keinen Unterschlupf. Habt Ihr mir nicht berichtet, dass man in Avignon plant, ihre Gemeinschaften aufzulösen? Der königliche Schutzbrief hilft ihr in diesem Falle nur wenig. Seid gewiss, dass ich dem Heiligen Vater keine Steine in den Weg legen werde, wenn er die Beginen zur Ordnung ruft. Ich habe ihn in die Knie gezwungen, was die Templer anbelangt, dafür mische ich mich nicht in seine innerkirchlichen Entscheidungen ein.« Mathieu vermutete, dass sich der König nur so friedfertig gegeben hatte, weil er keine Möglichkeit gesehen hatte, auch diese Geldquelle für sich zu erschließen. Ihm Ysées Probleme zu schildern, hätte keinen Sinn ergeben, also hatte er geschwiegen. Der König hatte dieses Schweigen akzeptiert und ihn vom Hofdienst freigestellt, damit er Ysée in ihre neue Heimat bringen konnte. Ein Befehl, der ihn auch aus den Fängen des terrible befreite. Er hatte eilig den Palast verlassen, um ihm nicht mehr zu begegnen.
Das Gespräch im Arbeitskabinett des Königs wollte ihm aus einem anderen Grund nicht aus dem Kopf gehen. Eine Ehe mit Ysée. Eine königliche Order zwänge sie vor den Altar. Sie müsste gehorchen. Der Gedanke war ihm nicht unsympathisch, stellte er fest. Allein, er wollte keine Frau in sein Bett zwingen und sie auch nicht gegen ihren Willen zu seiner Gemahlin machen.
In der Rue des Ursins hatte Mathieu die Stille eines Hauses empfangen, in dem schon jetzt alles Leben erstickt war. Er würde das Mietverhältnis beenden, wenn er zurückkehrte. Ihm war klar, dass er ohne Ysée hier keine Freude mehr finden würde.
Er traf sie am Fenster ihrer Kammer an. Ohne ein Wort legte er ihr das gesiegelte Dokument in den Schoß. »Für Ysée von Courtenay? Was ist das für ein Name?« Ihre reglose Miene verriet weder Überraschung noch Freude. »Ihr seid doch Ysée von Courtenay?«
Mathieu war sich seiner Sache so sicher, dass er verdutzt die Stirn in Falten legte. Sie schüttelte stumm den Kopf. »Wenn der Handelsmann Cornelis Euer Großvater ist, dann war Eure Mutter die schöne Flämin, die Thomas von Courtenay erst entehrt und dann zur Frau genommen hat. Oder habt Ihr mir Lügen erzählt?«
»Ich lüge nie.« Sie hielt seinem Blick stand. »Ysée ist der Name meiner Halbschwester. Berthe war ihre Mutter. Sie hat mir das Leben gerettet und mich in Sicherheit gebracht, als unsere Burg überfallen wurde. Damals habe ich den Tod meiner armen Schwester verschuldet, und Berthe gab mich als ihre Tochter aus. Sie hat meiner Mutter auf dem Sterbebett geschworen, mich zu beschützen. Sie hielt es für sicherer, wenn niemand erfuhr, dass ich überlebt hatte.«
»Dann sagt mir Euren richtigen Namen.« Ysée zögerte unmerklich,
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