Beginenfeuer
Wiedersehen?«
»Das weiß der Himmel.«
Simon eilte über die gekiesten Wege der Bischofsresidenz in die Kapelle des Hôtel de Sens. Gebete gaben ihm Halt, wenngleich sie weder seine Einsamkeit noch seine Zweifel und Schuldgefühle linderten. Es war nicht sein Verdienst, dass er seinem Gelübde treu geblieben war. Allein Ysées Rückzug hatte ihn vor der Sünde bewahrt. Statt darüber froh zu sein, bedauerte er es.
Wieder wurde er im Gebet gestört und aus seinen Gedanken gerissen. Ein Priester bat ihn zum Erzbischof. Die Gespräche mit ihm glichen einem Tanz auf glühenden Kohlen. Er empfing Simon in seinem Arbeitskabinett und reichte ihm huldvoll den Bischofsring. Das unmerkliche Zögern des Mönchs vor dem rituellen Kuss entging ihm dabei nicht.
»Ihr habt Euch von Eurem Bruder verabschiedet?« Simon hatte sich mit Mathieu absichtlich im Garten der Residenz getroffen. Der Erzbischof hatte ihre Begegnung also zur Kenntnis genommen. »Unsere Wege trennen sich, Eminenz.«
»Wenn Ihr hin und wieder Nachricht von ihm wollt, ich könnte dafür sorgen, dass meine Kuriere Eure Botschaften mitnehmen.«
»Das ist nicht nötig.« Simon widerstand der Versuchung. »Ich habe der Welt entsagt, als ich in ein Kloster eintrat. Die Begegnung in Paris war nur ein Zufall.«
»Ihr seid hart gegen Euch selbst, Bruder Simon.«
»Ich tue Buße für eine große Schuld, Eminenz.«
»Werdet Ihr den Heiligen Vater persönlich über den Prozess und den Tod der Ketzerin unterrichten?«
»Das vermag ich nicht zu sagen.«
Simon blieb auch jetzt vorsichtig. Der neue Erzbischof legte Wert auf die Privilegien seines Amtes. Ehrgeiz brannte in seinen Augen, und innerhalb weniger Tage hatte er dafür gesorgt, dass man seinen Namen mit der Ehrfurcht aussprach, in der die Furcht mitschwang. »Es liegt in der Entscheidung des Erzdiakons. Wenn er meinen Bericht für wichtig genug hält…«
»Monsieur Arnaud von Pellegrue, der Erzdiakon von Chartres, ist der Neffe Seiner Heiligkeit. Seid Ihr näher mit ihm bekannt?«
»Der Erzdiakon ist die rechte Hand Seiner Heiligkeit. Ich sehe ihn nur, wenn er Befehle für mich hat.«
»Unser Heiliger Vater vertraut seinem Neffen, wie der verstorbene achte Bonifaz früher dem Bischof von Bordeaux vertraut hat. Ihr wisst von der Wertschätzung, die diese beiden wichtigen Männer unserer Kirche einstmals verbunden hat?« Simon beschränkte sich auf ein Nicken. Es schien ihm nicht angebracht, die alten Geschichten zu wiederholen. Die Abneigung Seiner Heiligkeit gegen Nogaret rührte aus diesen Tagen. Er gab ihm die Schuld am späteren Tod seines Freundes und Vorgängers.
»Seine Heiligkeit neigt bedauerlicherweise dazu, seiner Abneigung gegen Monsieur Nogaret freien Lauf zu lassen«, setzte mittlerweile der Erzbischof seine Rede fort. »Sosehr dies menschlich verständlich ist, der Kirche schadet es.«
»Ihr überschätzt meinen Einfluss sowohl beim Erzdiakon wie bei Seiner Heiligkeit. Ich bin nur ein bescheidener Schreiber im Haushalt des Papstes.«
»Es würde Euer Schaden nicht sein, wenn Ihr für die Vernunft und im Sinne des Königs für uns sprechen würdet.« Philippe von Marigny verfiel in den salbungsvollen Ton eines Predigers. »Das Verfahren gegen die Templer darf sich nicht noch länger hinziehen. Den Ketzern darf ihr Frevel nicht verziehen werden.«
Simon sah voller Abscheu auf die Säume seiner Kutte. Der Erzbischof glaubte sich in einer Machtposition, weil er mit seinem brutalen Vorgehen gegen die Ordensritter den Beifall des Königs errungen hatte. Sein Bruder Enguerrand war zudem drauf und dran, Nogaret als wichtigsten Ratgeber Philipps zu verdrängen, und so wähnte er sich in der Position, dem Papst Befehle erteilen zu können.
»Wenn Ihr mir ein Schreiben für den Erzdiakon anvertrauen wollt, das nicht den offiziellen Botenweg gehen soll, so will ich es gern für Euch mit nach Avignon nehmen«, sagte Simon vorsichtig.
Die Hand mit dem Bischofsring trommelte ungehalten auf die Schriftstücke des Arbeitstisches.
Bruder Simon hielt hartnäckig die Augen gesenkt. Wenn die heilige Mutter Kirche sich den Gläubigen immer mehr entfremdete, so waren daran Männer wie Marigny schuld, die ihren eigenen Machthunger im Namen des Glaubens stillten. »Ich halte Euch für klug genug, meine Worte im Gedächtnis zu behalten«, hörte er die ungehaltene Stimme des hohen Herrn. »Ich denke, Ihr versteht mich.« Simon blieb bei seinem Schweigen.
»Früher oder später werdet Ihr Euch entscheiden
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