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Beginenfeuer

Beginenfeuer

Titel: Beginenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Christen
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Das beschämende Gefühl, versagt zu haben, begleitete ihn nach draußen. Was konnte er tun? Die zahllosen Beginengemeinschaften hielten keinen Kontakt untereinander, wie sollte man sie warnen? Es gab weder einen kirchlichen Vertreter, der sich für sie einsetzte, noch eine Meisterin, die über mehrere Höfe oder Häuser bestimmte.
    Tief in Gedanken lief er Brunissende von Périgord, der Gräfin von Foix, die in Richtung des Gästehauses ging, in den Weg.
    »Heilige Mutter, habt Ihr keine Augen im Kopf, Pater? Fast hättet Ihr mich umgerannt.«
    Sie betrachtete ihn ärgerlich. Eine Wolke von Rosenölduft umhüllte sie.
    »Verzeiht«, sagte er knapp. »Ich habe Euch zu spät bemerkt.«
    »Ach ja?« Sie musterte ihn eingehend, und ihre nächsten Worte klangen schon nicht mehr so eisig. »Nun, zu spät ist immerhin besser als überhaupt nicht. Ihr seid kein gewöhnlicher Mönch, nicht wahr? Eure Züge sind die eines Edelmannes. Wie heißt Ihr?«, erkundigte sie sich neugierig.
    Irritiert wich Simon zurück. »Man nennt mich Bruder Simon«, antwortete er knapp. »Entschuldigt mich.«
    »So wartet doch.«
    Er beschleunigte die Schritte, statt auf ihren Ruf zu hören. Es gehörte sich sicher nicht, die geschätzte Freundin des Heiligen Vaters zu verärgern, aber er brachte es nicht über sich, wie ein Höfling mit ihr zu plaudern. Sollte der Papst ihn doch in sein Kloster zurückschicken, wenn sie sich über sein Verhalten beschwerte. Er würde ihm einen Gefallen damit erweisen. Längst war ihm klar geworden, dass die Kirchenpolitik ihn in ständige Konflikte mit seinem Gewissen brachte. Bei aller Empörung blieb jedoch der Duft nach Rosenöl in seinem Bewusstsein. Je mehr er sich verflüchtigte, umso klarer stieg in ihm das Bild Ysées auf. Er sah sie vor sich, in den Seidengewändern einer Dame.
    Ob Ysée die dramatischen Erlebnisse in Paris vergessen konnte? Er bezweifelte es. Er selbst konnte es nicht. In der Stadt des Königs war etwas geschehen, das sein Leben unaufhaltsam in eine andere Richtung trieb.
    Nur im Gebet gelang es ihm manchmal, dem Bild der brennenden Frau am Schandpfahl des Scheiterhaufens zu entfliehen. Niemals vergaß er das Grauen in Ysées Augen. Den Schreck, als sie in seinen Armen die Besinnung verloren hatte und zusammengebrochen war.
    O Herr, es ist dieser Duft von Rosenöl, der mich um den Verstand bringt und mich an sie denken lässt, schoss es ihm durch den Kopf. Hilf mir, standhaft zu bleiben und meine Sehnsucht zu vergessen.
    Er gab der Anwesenheit Brunissendes von Périgord in einem Männerkloster die Schuld an seinen Sehnsüchten. Er verabscheute die Gräfin. Sie residierte mit größter Selbstverständlichkeit im Gästehaus, und jedermann tat so, als sehe er es nicht, dass sie in den privaten Gemächern des Papstes ein und aus ging.
    Simons Hände verkrampften sich unter dem Skapulier. Ein schrecklicher Verdacht keimte in ihm auf. Wenn ihn nun nicht die Empörung bewegte, sondern der Neid. Der Neid, dass es dem Papst kraft seines Amtes erlaubt war, sich über die Regeln und Gebote hinwegzusetzen?
    Schuldbewusst wandte er sich der Kapelle zu. Er hatte kein Recht, den Heiligen Vater zu richten. Er hatte die Gelübde der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams abgelegt. Diese Buße hatte er sich selbst auferlegt, weil er getötet hatte. Es stand ihm nicht an, seine Verfehlungen gegen die Sünden des Heiligen Vaters aufzurechnen.
     
     
     
    V IOLANTE VON C OURTENAY
    Reims, 15. Juli 1310
     
    Die Stadt breitete sich in der Ebene aus und wurde von der gewaltigen Kathedrale beherrscht. Violante zügelte ihre kleine Stute. Mathieu war vor ihr stehen geblieben. Sein mächtiger Destrier ließ nicht zu, dass ein anderes Pferd die Spitze des kleinen Trupps übernahm. Seit sie Paris auf der Handelsstraße Richtung Norden verlassen hatten, mied Mathieu das Gespräch mit ihr, und so war es ihm wohl recht, dass sein Pferd immer ein paar Schritte voraustrabte.
    Es ließ sich nicht vermeiden, dass sie diese Reise mit der des vergangenen Winters verglich. Die warmen Sommertage, die angenehmen Begleitumstände und ihre eigene Verfassung hätten nicht unterschiedlicher sein können. Beschützt von vier bewaffneten Knechten und dem Waffenmeister, legten sie angenehme Tagesetappen zurück und übernachteten auf ihrem Weg in den Gästehäusern der Klöster.
    Überall wurden sie dank des königlichen Schutzbriefes mit großer Höflichkeit empfangen und versorgt, strikt getrennt nach Geschlecht. Sie fand sich

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