Beginenfeuer
keine Spur von Verdrossenheit oder Missgunst, nur Freude über das Wiedersehen.
»Wir sind alle bloß Diener unseres Herrn Jesus Christus«, wehrte Simon die letzte Bemerkung ab. »Was bringt dich nach Avignon?«
»Ein Auftrag unseres Priors, der dich betrifft, Bruder.« Simons Gedanken überschlugen sich. Hatte der Prior von Fontenay etwa davon erfahren, dass er gerne in sein Kloster heimkehren würde? Ein Funke unerwarteter Hoffnung glomm in ihm auf. In Fontenay würde er vielleicht jenen Glauben und jene Zuversicht wiederfinden, die seine Tage dort bestimmt hatten.
Er packte Ferrand so unverhofft an der Kutte, dass der Mönch vor ihm erschrak.
»Mach mich nicht für die Nachrichten verantwortlich, Bruder«, rief er bestürzt aus.
»Komm mit in den Kreuzgang«, entschied Simon und zog Ferrand mit sich. »Dort können wir ungestört reden. Weiß der Prior von meinem Wunsch, nach Fontenay zurückzukehren? Hat der Erzdiakon etwa… Nein, das ist unmöglich, das würde er nie tun…« Ferrand sah Simon besorgt an.
»Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Bruder«, stammelte er unsicher. »Einen Erzdiakon hat der Prior mit keiner Silbe erwähnt.«
Simon beruhigte sich wieder.
»Verzeih, ich muss dich falsch verstanden haben. Sag mir deine Botschaft, damit ich mich anschließend um ein Quartier und eine Mahlzeit für dich kümmern kann. Du musst hungrig und durstig sein.«
Der Mönch räusperte sich. »Das will ich nicht leugnen. Also hör dir an, was ich dir vom Prior sagen soll. Es geht um Andrieu, um die Gräfin, die ja eigentlich keine ist, weil ihr Gemahl kein Recht hat, den Titel zu tragen, der deinem Bruder zusteht.«
»Mabelle?«
Simon versuchte seine Ruhe zu bewahren. »Es gibt Pläne unseres Ordens, im Forêt de Chaux ein großes Kloster anzulegen, das, ähnlich wie Fontenay, in der Einsamkeit der Natur dem Gebet und der Einkehr dienen soll. Unser Prior hat sich daran erinnert, dass deine Familie aus dieser Gegend stammt. Er nahm an, dass die Gräfin von Andrieu dem Plan vielleicht wohlgesinnt ist, weil ihr Bruder in Fontenay Heimat gefunden hat.«
»Mabelle?« Der Gedanke brachte Simon zum Lachen. »Sie wird ihm keinen Fußbreit ihres Waldes zur Verfügung stellen. Damit kann er kaum rechnen.«
»Einen ähnlichen Bescheid hat die Anfrage wohl ergeben«, nickte Ferrand. »Aber der Prior hat bei dieser Gelegenheit auch erfahren, dass der Gemahl der Gräfin und ihr einziger Sohn im Frühjahr am Fleckfieber verstorben sind. Sie ist zum zweiten Mal Witwe geworden.« Ferrand machte eine bedeutungsvolle Pause. »Ich werde sie in mein Gebet einschließen«, sagte Simon knapp. »Ich danke dem Prior, dass er mir Nachricht von den Meinen gegeben hat.«
»Bewegt dich nicht die Frage, was mit der Burg deiner Väter geschieht?«
»Meine Schwester wird wieder heiraten, nehme ich an.«
»Zuvor muss die Frage des Erbes geklärt werden. Die Frau ist nicht berechtigt, über das Lehen zu verfügen. Andrieu unterliegt dem Heimfallrecht, wenn dein Bruder seinen Anspruch nicht beim Herzog anmeldet.«
Das Heimfallrecht erlaubte dem König, Erbgut einzuziehen, wenn ein Reichsbewohner ohne Erben starb oder wenn sich kein Erbe meldete, der rechtmäßigen Anspruch darauf erheben konnte.
Simon wusste, dass der König dieses Recht gerne in Anspruch nahm. Man konnte davon ausgehen, dass auch sein Sohn, Philipp der Lange, in Burgund dem Beispiel des Vaters folgte. Wollte Mabelle die Herrin von Andrieu bleiben, musste sie den Edelmann heiraten, dem der Herzog das frei gewordene Lehen übertrug. Wer immer das war.
Obwohl Andrieu in seinem Leben keine Rolle mehr spielte, missfiel ihm der Gedanke, dass es schon wieder in fremde Hände kommen sollte. Burg, Land und Titel gehörten seinem Bruder.
»Es hat den Anschein, dass es die Dame sorgsam vermieden hat, den Tod ihres Gemahls bei Hofe bekannt zu machen«, fügte Ferrand nun hinzu. »Der Vater Prior lässt Euch sagen, dass es an Euch und Eurem Bruder ist, in Andrieu für Ordnung zu sorgen.«
Und zum Dank für diese Botschaft wünscht sich der Prior dann ein ordentliches Stück des Waldes von Andrieu für seinen Orden, fügte Simon im Geheimen hinzu. Es war offensichtlich, dass hier nicht allein das Wohlwollen eines besorgten Abtes am Werke war. Auch in Fontenay ging es um Macht und Ansehen. Wenn es dem Prior gelang, bei den Klostergründungen eine führende Rolle zu spielen, gewann er an Einfluss. Die Zisterzienser strebten nicht nach weltlichem Reichtum, sie wollten ihren
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