Beginenfeuer
dem er angehört, ist uns von jeher wohlgesinnt.«
»Es sind Dominikanermönche«, erinnerte Violante. »Guillaume Imbert, der Generalinquisitor von Frankreich, der das endgültige Urteil über Marguerite Porète gesprochen hat, ist auch ein Dominikanermönch.«
»Sprecht nicht von der Unglücklichen«, bat die Meisterin erschrocken. »Seit sie der Kirche Trotz geboten hat, häufen sich unsere Schwierigkeiten.«
Violante hatte das unbehagliche Gefühl, der Plan, den Pater Étienne und die Predigerbrüder für die Beginen ins Auge gefasst hatten, könne die nächste Schwierigkeit heraufbeschwören. Aber Pater Étienne, dem die Idee wohl als Erstem gekommen war, war schon gestern von einem Erfolg überzeugt gewesen. Es galt für Violante nur, zu ergründen, ob er sich dabei lediglich auf die Wirkung ihres Aussehens verließ. »Ihr könntet sogar in Haube und Schleier einen Heiligen verführen«, hatte er sie zu überreden versucht. »Ich hoffe, Ihr macht es mir nicht zum Vorwurf, wenn ich am Ende Eure unbegründeten Hoffnungen enttäusche.« Sie suchte den Blick der ehrwürdigen Mutter und wagte eine letzte Warnung. »Ich werde tun, was Ihr verlangt, um meinen Schwestern zu helfen. Aber ich habe gelernt, dass die Kirche die Stimme einer Frau nicht hören will.«
»Unsere Hoffnungen ruhen auf Euch. Ihr benötigt Reisekleidung. Man sollte Euch die Begine nicht von weitem ansehen. Ihr reist als Edeldame mit Euren Begleiterinnen, und Pater Étienne wird Euer Kaplan sein. In Eurer Person verbinden sich Anmut, edles Blut und der Einfluss einer mächtigen Familie. Wir werden für Euch beten, damit Ihr für uns siegt.« Sobald Violante in ihrer Kammer wieder allein war, wandte sie sich der kleinen Statue zu, die sie mit den beiden Büchern in ihrem Bündel gefunden hatte.
»Heilige Mutter Anna, gib mir die Kraft, um für die Beginen zu kämpfen. Lass mich die Taten eines Mannes tun, damit uns die Freiheit, als Frauen frei zu leben, erhalten bleibt«, bat sie. Eine Stunde später sollte sie zum Gespräch mit Pater Étienne kommen.
Sein Blick gefiel ihr nicht. Er musterte sie von oben bis unten. Es war das erste Mal seit der turbulenten Stunde im Refektorium, dass sie einander wieder Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden. Sie kannte ihn nur als Beichtvater, der jede kleinste Verfehlung streng ahndete. Ein einschüchternder Mensch im weißen Gewand und dem schwarzen Kapuzenmantel der Dominikaner.
Weshalb er sich dafür einsetzte, die Existenz der Beginen zu sichern, blieb ihr ein Rätsel. War es nicht sein Bestreben, den Zielen des Ordens zu dienen? Die Dominikaner wollten Ketzerei und Unglauben ausrotten. Das freie Leben und die Unabhängigkeit der Beginen mussten ihnen ein Dorn im Auge sein. Im ganzen Abendland war keine Frau so selbstständig wie im Schutze des Beginenhofes. Kein Mann konnte sie dort in ihrem Handeln beeinflussen. Verbargen sich hinter seiner Hilfsbereitschaft eigennützige Interessen?
Der Dominikanerbruder sah eine Dame im schlichten Kleid der Begine. Ihr stolzer Blick hielt dem seinen stand, und etwas im Funkeln ihrer grünen Augen schien wiederum ihm nicht zu gefallen.
»Wird sie gehorchen?«, erkundigte er sich, ohne Violante einen Gruß zu gönnen, bei der ehrwürdigen Mutter, die neben ihr stand.
»Macht Euch keine Sorgen, ehrwürdiger Vater«, erwiderte die Meisterin.
Gehorche!, befahl sie sich selbst. Es geht nicht um dich, sondern um deine Mitschwestern. Sie wusste, dass es ihr schwer fallen würde.
B RUDER S IMON
Dominikanerkloster von Avignon, 23. September 1311
Seit der größte Teil des päpstlichen Haushaltes nach Vienne aufgebrochen war, herrschte wieder Stille in den Klostermauern. Simon bedauerte, dass auch seine Abreise bevorstand. Er wartete nur noch einige angekündigte Kuriere ab, dann würde er mit dem Boot flussaufwärts in die Stadt des Konzils reisen.
»Bruder Simon? Auf ein Wort…«
»Ferrand? Täusche ich mich?«
»Du bist es also wirklich. Ich hatte schon Angst, ich könnte dich verpasst haben. Man hat mir gesagt, der Heilige Vater residiere bereits in Vienne und dass du zu seinem Gefolge gehörst. Du hast es weit gebracht in der Hierarchie unserer heiligen Kirche.«
Ferrand war zur gleichen Zeit wie er nach Fontenay gekommen. Gemeinsam hatten sie das Gelübde abgelegt und ihr Leben Gott geweiht. Lag dies wirklich schon mehr als zehn Jahre zurück? Der Haarkranz von Ferrands Tonsur war dünner geworden, aber das gutmütige Bauerngesicht zeigte
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