Beginenfeuer
einnehmen.«
»Eure Hilfe ist dennoch gefordert, Schwester Violante. Durch Euer Wesen könnt Ihr erreichen, dass der Heilige Vater unsere Argumente wohlwollend bedenkt. Versucht ihn zu überzeugen, damit es nicht zu einem generellen Verbot unserer Gemeinschaften kommt.«
»Dergleichen habe ich nie gelernt«, widersprach sie heftig. Die ehrwürdige Mutter bedachte sie mit einem ungewohnt scharfen Blick.
»Das Handschreiben Seiner Majestät des Königs von Frankreich lässt viele Schlüsse zu. Es verrät Euren Namen, aber nicht Euren Familienstand. Ihr seid unverdächtig, wenn Ihr unser Anliegen vortragt, außer Ihr wart in einen Skandal verwickelt und der König hat Euch die Besinnung in einer frommen Gemeinschaft befohlen?«
»Woher nehmt Ihr eine solche Vermutung?« Violante wurde ungehalten.
»Ihr seid unzweifelhaft von edler Geburt, und ich respektiere Euer Geheimnis. Eure Fähigkeiten und Eure Bildung werden nur Frauen zuteil, die für Ehen von politischer Bedeutung bestimmt sind. Ihr sprecht mehrere Sprachen und besitzt eine Freiheit des Geistes und der Bewegung, die einfachen Bürgertöchtern fremd ist. Sie würden nie wagen, einem Manne so offen zu widersprechen wie Ihr Pater Étienne. Er ist schockiert.«
»Ich bin es auch.«
Violante brach ab. Sie konnte nichts aus ihrer Vergangenheit erzählen.
»Einem einfältigen Mädchen oder einer schlichten Witwe aus Strasbourg würde es kaum gelingen, als Bittstellerin bis zum Heiligen Vater vorzudringen. Es würde schon an der Sprache scheitern.«
Was immer Violante vorbrachte, die erste Begine des Hauses zum Turm hatte eine Gegenrede.
»Ihr müsst mir Zeit zum Nachdenken geben, lasst mich ein wenig auf und ab gehen, damit ich meine Gedanken sammeln kann«, erwiderte Violante, die schon die ganze vorangegangene Nacht versucht hatte, Für und Wider gegeneinander abzuwägen.
Sie sollte eine mögliche menschliche Schwäche rücksichtslos herausfordern durch weibliche Verführungskunst. Weckten Kirche und Krone in ihrem Kampf um Macht und Gold damit nicht die niedrigsten Instinkte des Menschen? Sie musste mit Argumenten auf diese Mission vorbereitet werden. Mit mehr, mit überzeugenderen Argumenten als denen, die Pater Étienne ihr bisher gegeben hatte. Es ging um eine gute Sache, sie wollte gerne für die Beginen kämpfen, aber der Zweck durfte nicht alle Mittel heiligen. Wir werden sehen, dachte Violante.
Sie wendete sich, nachdem sie einige Male den Raum durchschritten hatte, wieder der Meisterin zu, die in einer Mischung aus Geduld und Ungeduld ihre Entscheidung erwartete. »Glaubt Ihr wirklich an meinen Erfolg?«, fragte sie. »Eitelkeit ist zwar eine Sünde, Schwester, aber ein Lächeln kann Urkunden vergessen machen und Kriege entfesseln. Pater Étienne hat nichts anderes vorgeschlagen, als diesen allseits bekannten Umstand für unsere Ziele zu nutzen.« Violante unterdrückte neuerlichen Widerspruch. Sie hatte in Paris geschworen, ihr Leben künftig in die eigenen Hände zu nehmen. Sie würde nicht mit gefalteten Fingern darauf warten, dass die Kirchenväter über ihren Kopf hinweg Entscheidungen trafen.
Sie sagte täglich ihren Schülerinnen, dass auch Frauen denken und handeln konnten. Was würde aus ihr selbst, wenn sie der Nonnenschleier für immer der Illusion ihrer möglichen Freiheit beraubte? Sie wollte sich niemals ganz der Kirche verschreiben. Die Bilder der Inquisition stiegen wieder in ihr auf und bestärkten sie in diesem Entschluss. »Gut. Ich werde es tun«, sagte sie beherzt. »Wie soll es geschehen? Ihr und Pater Étienne müsst mich anleiten, damit ich keinen Fehler mache.«
»Wir haben nicht viel Zeit, meine Liebe.« Nach der Strenge wählte die ehrwürdige Mutter nun liebevolles Zureden. »Um rechtzeitig in Vienne anzukommen, müsst Ihr schon bald aufbrechen. Pater Étienne wird alles organisieren. Er begleitet Euch gemeinsam mit zwei jüngeren Schwestern und ein paar kräftigen Predigermönchen. In wenigen Tagen geht ein Handelszug nach Lyon, dem werdet Ihr Euch anschließen. Von dort ist es nur noch eine kurze Fahrt mit dem Schiff die Rhône hinunter in die Stadt des Konzils.«
»Und was ist mit der Bittschrift, die ich dem Heiligen Vater übergeben soll?«
»Pater Étienne hat sie für Euch vorbereitet. Er wird Euch während der Reise unterrichten, was Ihr darüber hinaus dem Heiligen Vater sagen sollt.«
»Und warum ist der Pater auf der Seite der Beginen? Die Kirche mag uns nicht.«
»Der Predigerorden von Strasbourg,
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