Beginenfeuer
Orden zur bedeutendsten geistlichen Macht der Christenheit machen.
»Alle Brüder in Fontenay beneiden dich«, berichtete Ferrand in heiterer Naivität, während Simon ihn in die Klosterküche führte. »Sie sprechen mit großem Respekt von dem Schreiber Seiner Heiligkeit, der sein Handwerk in unserem Kloster gelernt hat. Jeder kleine Novize eifert dir nach.« Simon ließ ihn reden, nickte an der richtigen Stelle und erwiderte Belangloses, wenn es erforderlich war. Er würde Verbindung zu Mathieu aufnehmen müssen, vielleicht ergab sich in Vienne eine Gelegenheit dazu. Ihm war bekannt, dass auch Abgesandte des Königs anwesend sein würden.
M ATHIEU VON A NDRIEU
Lyon, Rhôneufer, 6. Oktober 1311
In Lyon angekommen, zogen sich für Mathieu die Tage endlos hin. Seine Geduld wurde auch hier wieder auf die Probe gestellt. Er wollte sein Ziel erreichen, und es fiel ihm schwer, die Zeit nutzlos verstreichen zu lassen.
Er musste den Kopf einziehen, um nicht gegen den Türbalken zu stoßen, als er hinunterstieg in den höhlenartigen Raum mit dem riesigen Kamin, in dem sich ein Braten am Spieß drehte. Die wenigen Lampen und das grelle Lachen der Mädchen verrieten, dass hier mehr verkauft wurde als nur Getränke und Mahlzeiten.
Der Besuch der Schänken mit ihren immer gleichförmigen Vergnügungen vertrieb ihm die Zeit nur unzureichend, dennoch blieb er, unten an der Treppe angekommen, stehen, um sich einen Überblick zu verschaffen. Die sparsamen Lichter warfen tanzende Reflexe auf fleckige Tische und die bunte Schar der Gäste. Eine Menge zweifelhafter Gestalten drängten sich auf den Bänken. Zu seiner Überraschung entdeckte er Jean Vernier, der in ein heftiges Gespräch mit einem jungen Mann verwickelt war. Das machte ihn neugierig. Er drängelte sich an Zechern und Gästen vorbei. Vernier erschrak bei seinem Anblick. Augenscheinlich hatte er in einer solchen Spelunke nicht mit ihm gerechnet. Mit einem Bein stieg Mathieu über die Bank und setzte sich neben den Jungen. Aus der Nähe kam er ihm noch knabenhafter vor. Er war wohl kaum zwanzig und schien ihm auf eine seltsame Art vertraut.
»Hast du Geheimnisse vor mir?«, fragte er Vernier. »Keine Geheimnisse, aber ich wollte mir erst selbst ein klares Bild verschaffen«, sagte er langsam. »Bevor ich Euch berichte.« Mathieu bemerkte den warnenden Blick des Jungen, der seinem Begleiter galt.
»Ein klares Bild von deinem Gesprächspartner? Wer ist der Junge?«
»Es ist Jeannot.«
»Muss ich ihn kennen?«
»Du hast bei seiner Taufe heimlich einen Krug von dem Roten getrunken. Danach hast du dich vor dem Hundezwinger erbrochen, und ich musste dich wie einen nassen Lappen in deine Kammer schleppen.«
Die Erinnerung kehrte schlagartig zurück. Mathieus Vater hatte ihn am nächsten Morgen ausgelacht und sein kleiner Bruder ihn bedauert. Er war zehn Jahre alt gewesen. »Warum nur beschäftigt dich Andrieu so intensiv, und wie kommt Jeannot hierher?«
»Ich bin in Andrieu geboren wie du, hast du das schon vergessen? Mein Vater war der Burgvogt des deinen, und meine Schwester hat den Müller von Andrieu zum Mann genommen.
Von Zeit zu Zeit höre ich von ihr, wenn es ihr gelingt, einem Händler eine Botschaft mitzugeben. Wir halten in großen Abständen Kontakt.«
»Und jetzt hat sie dir ihren Sohn geschickt?«
»Er ist aus eigenem Antrieb gekommen.«
»Gab es keinen Grund, mir das zu sagen?«
»Wie hättest du reagiert?«
Mathieu winkte der Magd mit den Krügen. »Das hängt von seiner Botschaft oder seinem Anliegen ab.«
»Ich geh nicht zurück, Seigneur«, ergriff Jeannot mutig das Wort. »Ich will Euch dienen. Ich will Waffen tragen und kämpfen. Soll mein Bruder Müller werden und für den Vogt der Gräfin den Buckel krumm machen. Seit der Herr gestorben ist, führt er sich auf, als würd ihm Andrieu gehören.« Mathieu sah jetzt, dass das sandfarbene Haar des Jungen aus der Familie des Waffenmeisters kam. Auch die Art, wie er die Augen zusammenkniff, verriet die Ähnlichkeit. »Dein Herr ist tot?«
»Seit dem Frühjahr. Die meisten Brunnen wurden verseucht, als der Doubs nach Ostern Hochwasser führte. Viele waren krank und sind elend gestorben, auch der Herr und sein Sohn. Besser wäre es allerdings gewesen, es hätte den Vogt erwischt.«
»Warum hast du mir nie etwas davon berichtet?« Mathieus Frage galt dem Waffenmeister, und der schnaubte in gewohnter Manier.
»Fragst du mich das im Ernst? Du hast dir doch jedes Wort über Andrieu
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