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Beginenfeuer

Beginenfeuer

Titel: Beginenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Christen
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lassen.
    Mathieu konnte nicht widerstehen. Er trat an den Stand und strich über die Marderfelle. Der gewiefte Pelzhändler witterte augenblicklich ein Geschäft.
    »Die schönsten Marder aus den dichtesten Wäldern des Doubs, Seigneur. Was sucht Ihr? Futter für einen Umhang? Besätze für die Samtkleider einer Dame?« Mathieu hatte nur den Namen des Flusses gehört. »Vom Ufer des Doubs sagt Ihr?«
    »Greift zu, Seigneur! Besseres findet Ihr auf dem ganzen Markt nicht. Ich mache Euch einen günstigen Preis, wenn Ihr den ganzen Packen nehmt.«
    Er musste sich zwingen, nicht auf das Angebot einzugehen. Es hatte keinen Sinn, an Violante zu denken. Was fing eine Begine schon mit einem mardergefütterten Samtumhang an? Beginen trugen Grau, Blau oder Schwarz und einfaches Wolltuch. Er ließ einen enttäuschten Pelzhändler zurück und ging, tief in Gedanken versunken, zur Herberge. Verkaufte auch Mabelles Gatte die Pelze von Andrieu in Chalon? Achtete er wie sein Vater darauf, dass die Jäger die Jungtiere verschonten und den Bestand erhielten? Wie sah es in Andrieu in diesem Herbst aus? Hatten die Unwetter des vergangenen Frühlings auch dort die erste Ernte vernichtet und die Dörfer überschwemmt? Es erstaunte Mathieu selbst, wie dringlich sich Frage an Frage reihte. Er hatte Andrieu aus dem Kopf verbannt, aber nicht aus seinem Herzen. Inzwischen bezweifelte er, dass es klug gewesen war, Mabelle sein Erbe und seine Heimat zu überlassen. Eine Frau, die den Pfalzgrafen beeinflusste, den eigenen Bruder zu verbannen, um sich danach in den Besitz seines Erbes zu bringen, besaß weder Ehre noch Verantwortungsgefühl.
    Wie behandelte sie wohl die Menschen, die von ihr abhängig waren?
    Aber musste er sich nicht ebenfalls Vorwürfe machen? Der Bannspruch Ottenins war vor Jahren verfallen. Wenn die Menschen von Andrieu unter der Herrschaft seiner Schwester litten, dann war es auch seine Schuld. Dass er den Bannspruch als gerechte Strafe hinnahm, war immer mehr eine Ausrede. Die Erfahrungen am königlichen Hof hatten ihn dessen belehrt. Sein Edelmut war Dummheit. Es war an der Zeit, endlich der Vernunft zu gehorchen.
    In der Herberge zum Vieux Galois waren mittlerweile Männer, Pferde und Gepäck untergebracht, hatte Mathieu sich versichert und wandte sich dem Wirtshaus zu, als er eine Bewegung an der Ecke des Stalls bemerkte. Gab es Ärger im Stall? War Odysseus beschlagen worden?
    Besorgt lief er hinüber. Niemand. Hatte er sich getäuscht? Prüfend schritt er die Reihen der Pferde ab, die friedlich fressend über ihren Futterraufen standen.
    Da vernahm er die Stimmen. Hinter der Zwischenwand unterhielten sich zwei Männer. »Hast du mit ihm gesprochen?«
    »Er lässt nicht mit sich reden. Und wenn, bleibt immer noch die Frage, ob er sich darauf einlässt.«
    »Er muss. Sonst ist alles verloren.«
    »Hab Geduld. Verschwinde, eh man dich sieht. Er könnte dich erkennen, und das würde der Sache nicht gut tun. Ich werd schon einen Weg finden, ihn zu überzeugen.«
    »Glaubst du?«
    »Lass das meine Sorge sein.«
    Die Stimmen entfernten sich. Eine hatte er zweifelsfrei erkannt. Was ging hier vor?

S ECHZEHNTES K APITEL
    Irrtümer
     
     
     
    V IOLANTE VON C OURTENAY
    Strasbourg, Beginenhaus vom Turm, 16. September 1311
     
    »Ihr wisst nicht, was Ihr von mir verlangt, ehrwürdige Mutter.«
    Violante blickte die erste Meisterin empört an, die am Schreibpult ihrer Kammer stand und jetzt die Feder zur Seite legte, weil die Auseinandersetzung mit Violante immer heftiger wurde. Am Tag zuvor schon hatte sie die Kapitelversammlung wütend verlassen, als Bruder Étienne ihr seinen Vorschlag unterbreitet hatte.
    »Ich vermag nicht zu glauben, dass dieser unerträgliche Vorschlag aus dem Munde eines Gottesmannes kommt«, rief sie entrüstet.
    »Was erregt Euch im Besonderen?«
    Die ehrwürdige Mutter versuchte Violantes Widerstand durch logische Argumente zu entkräften.
    »Ich bitte Euch, hinter all den abwiegelnden Worten bleibt die Tatsache, dass man von mir verlangt, den obersten Hirten unserer Kirche zu betören.«
    »Auch der Heilige Vater ist ein Mensch und ein Mann«, erwiderte die Magistra nüchtern. »Einer, der die Schönheit würdigt, wie man allerorts hört, und wir müssen um unsere Existenz kämpfen.«
    »Ich kann nicht verstehen, dass Ihr solch hässlichem Klatsch glaubt.« Violante spürte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg. »Der Papst ist ein gesalbter Diener Gottes auf Erden, und so werden wir ihn nicht für uns

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