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Beginenfeuer

Beginenfeuer

Titel: Beginenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Christen
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Planke, die zum Boot führte. Fuhrknechte und Schiffer kümmerten sich um die Reihenfolge, in der sie an Bord gebracht wurden. Mathieu entdeckte den Kapitän und ging zu ihm, um den Zeitpunkt des Ablegens zu erfahren. Abseits von all dem Trubel bemerkte er eine kleine Gruppe von Frauen und Männern, die darauf wartete, an Bord gehen zu dürfen. Eine schmale Gestalt erregte seine Aufmerksamkeit. »Violante!«
    Sogar im Schatten der Nacht blieb sie für ihn unverkennbar, und sein Herz wusste, dass sie es war.
    Was tat sie in Lyon? Warum trug sie einen Reiseumhang mit Kapuze und keine Beginenhaube? Die Männer in ihrer Begleitung waren Mönche. Wohin wollte sie?

 
     
     
    V IENNE

S IEBZEHNTES K APITEL
    Wiedersehen
     
     
     
    B RUDER S IMON
    Vienne, bischöflicher Palast, 10. Oktober 1311
     
    Er wandte der hügeligen Flusslandschaft den Rücken zu. Die Kathedrale des heiligen Maurice thronte auf einer Terrasse hoch über Stadt und Fluss. Ein Stein gewordenes Denkmal menschlicher Baukunst.
    Simon trat in das Halbdunkel des Gotteshauses. Kostbare Wandteppiche, die Szenen aus der Heiligen Schrift darstellten, zierten die Wände. Es herrschte emsige Betriebsamkeit. Girlanden aus frischem Grün umrankten die Pfeiler, Lampen und Kerzenständer wurden frisch gefüllt.
    Die Arbeiten konzentrierten sich auf den halbrunden Chor, wo sich die steinernen Sitze des Erzbischofs und seiner Domherren befanden. In den nächsten Tagen würden sie von Seiner Heiligkeit und den Kurienkardinälen eingenommen werden. Alle übrigen Geistlichen und Gelehrten mussten sich ihre Plätze im Kirchenschiff suchen. Simon wusste, dass es schon im Vorfeld unschöne Szenen um die Rangfolge gegeben hatte. »Treibt Euch ebenfalls die Neugier unter dieses Dach?« Er drehte sich um und fand sich dem italienischen Kardinal Giacomo Colonna gegenüber. Seine sonore, tiefe Stimme war unverkennbar. Seit er im vergangenen Jahr Mitglied der Kurie in Avignon geworden war, hatte er des Öfteren mit ihm zu tun gehabt. Er war ein wortgewaltiger Anwalt für den Franziskanerorden.
    Kardinal Colonna war noch nicht lange wieder in Amt und Würden. Im Rahmen des Konflikts, wenn nicht gar des Krieges, den der Vorgänger des Heiligen Vaters gegen die römische Familie der Colonnas geführt hatte, waren ihm Güter, Rechte und Würden entzogen worden. Clemens V. hatte viel Zeit vergehen lassen, ehe er ihn und seinen Bruder wieder in die Reihen der Kardinäle aufnahm. »Eminenz.«
    Simon bezeugte seine Ehrerbietung. Was den mächtigen Kardinal wohl dazu veranlasste, ihn anzusprechen? »So wird nun endlich dieses lange anberaumte Konzil eröffnet. In sechs Tagen ist es so weit. Was meint Ihr, wird der König von Frankreich zur Eröffnung erscheinen?« Warum stellte der Kardinal ihm diese Frage? Befürchtete er, dass die französische Übermacht im Rat des Papstes, gestärkt durch das Erscheinen des Königs, den Heiligen Stuhl und seine italienischen Landsleute endgültig in die Defensive drängte? Hinter den Kulissen der Kurie schwelte der Machtkampf zwischen Italien und Frankreich immer heftiger. »Ich bin darüber nicht unterrichtet, Monsignore.« Simon wählte jetzt bewusst die italienische Anrede. »Ach ja? Seid Ihr nicht einer der geheimen Schreiber des Heiligen Vaters?«
    »Ja. Ein Amt, das mich zur Verschwiegenheit verpflichtet, Monsignore.«
    »Ach ja?« Die Wiederholung der Phrase verlieh ihr einen Unterton von Spott. »Ein wichtiger Punkt der Tagesordnung ist die Entscheidung über den Templerorden.«
    »Das ist kein Geheimnis, Monsignore.«
    »Wir sind gespannt auf die Rede des Heiligen Vaters zur Eröffnung. Er ist bekannt dafür, dass das Reden nicht gerade seine Stärke ist.« Die Verachtung des gebildeten Italieners für den einfachen Bischof Bertrand de Got aus Frankreich, in seinem hohen Amt auf dem Heiligen Stuhl, klang aus jedem Wort. »Sicher habt Ihr bereits den einen oder anderen Entwurf geschrieben.«
    Simon wich zwei Mönchen aus, die einen Wandteppich heranschleppten, und nutzte die Unterbrechung, um seine Antwort sorgsam zu überdenken.
    »Ihr überschätzt mein Wissen, meinen Weitblick und meine Umsicht, Monsignore«, entgegnete er.
    Im Ton seiner Stimme wie in der stolzen Haltung blieb er dabei ein Andrieu. Er mochte seine Zweifel an der Weisheit des Heiligen Vaters haben, aber er würde sich nie auf Verrat einlassen.
    Colonna hatte verstanden. Er bedachte ihn mit einem nachdenklichen Blick.
    »Was ist der Grund dafür, dass Ihr Euch, mit Euren

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