Beginenfeuer
könnte?«
»Ich habe selbst zwei Kinder zur Welt gebracht. Sie sind tot. Keines hat länger als ein paar Stunden gelebt«, sagte Eudora kurz und schlug die Tür hinter sich zu.
Die Gedanken überschlugen sich in Violantes Kopf. Sie war wie von Sinnen. Nicht einen Herzschlag lang hatte sie angenommen, dass aus der Verbindung mit Simon ein Kind erwachsen könnte. Die eigene Ahnungslosigkeit machte sie sprachlos.
Ein Kind? Es war völlig undenkbar, unverheiratet, für jeden sichtbar ein Kind auszutragen. Was sollte sie tun? Es wollte ihr nicht in den Kopf, das Unmögliche zu Ende zu denken. Sie war doch selbst noch ein Kind. Zwar hatte sie schon schreckliche Dinge erlebt, aber plötzlich schien ihr, sie sei gleichwohl immer beschützt worden, und nun sollte sie plötzlich Verantwortung für neues Leben übernehmen, einem Kind Schutz bieten, dem sie unter den schlechtesten aller Bedingungen das Leben schenken würde?
In ihrer Ratlosigkeit stiegen ihr die Tränen in die Augen. Als sie sich lösten und ihr Gesicht überströmten, ergriff sie ein hemmungsloses Schluchzen, das ihren ganzen Körper erfasste. Es schien, als weine sie für alle Trauer, die sie erfahren hatte, und indem sie sich weinend dieser Trauer hingab, wurde sie sich auch des Glückes bewusst, das ihr zuteil geworden war. Der Schutz, der ihr im Beginenhof gewährt worden war, die Sorge, die Mathieu ihr bot, die Liebe, die ihr Simon geschenkt hatte. Die Liebe, der sie dieses Kind verdankte. Als löse sich ein Krampf in ihr, stieg mit einem Mal ein unbändiger Wille in ihr auf. Sie trug ein Kind von Simon!
Der Angst und der Ratlosigkeit folgte reine Freude. Gütiger Gott und Vater, ich danke dir. Ich werde meine ganze Kraft für dieses Kind einsetzen.
Eudora fand sie reglos, mit geschlossenen Augen und gefalteten Händen auf dem Rücken liegend. Sie glich einer Sarkophagfigur aus Stein. »Barmherziger Himmel…«
Violante hob die Lider und lächelte in das kalkweiße runde Gesicht. Eudora bekreuzigte sich unzählige Male hintereinander. »Habt Ihr mir einen Schrecken eingejagt. Im ersten Augenblick dachte ich wirklich, der Schlag hätte Euch getroffen.«
»Wie du siehst, ich lebe, und es ist wunderbar.« Violante setzte sich auf und schlang die Arme um den Leib, bereit, ihr Kind schon jetzt gegen alle Widerstände der Welt zu verteidigen.
»Ihr seid wahrhaftig völlig durcheinander.« Eudora rang die Hände, und Violantes Gelassenheit schürte ihren Zorn zusätzlich. »Was ist wunderbar daran, ein Kind zu erwarten, mit dessen Vater Ihr nicht ehelich verbunden seid? Ihr bringt einen Bastard zur Welt. Das Kind eines Mönchs, der nicht einmal zur Stelle ist, um die Verantwortung für die Sünde zu tragen. Hätte ich Euch doch nie in diese Kammer geführt.« Violante lächelte bei dieser Erinnerung, und Eudora setzte ihre gereizte Aufzählung eine Spur lauter fort.
»Ihr könnt das Kind weder im Palast des Erzbischofs auf die Welt bringen, noch in diesem Haus, das wir bisher gar nicht besitzen. Ein jedes Neugeborene im Stadtgebiet muss christlich getauft und in die Kirchenbücher eingetragen werden. Wen wollt Ihr als Vater angeben? Wer wird für Euch und das Kleine sorgen? Wenn uns die Zunft der Weber von Vienne jemals anerkennen soll, müssen wir einen untadeligen Lebenswandel vorweisen. Man wird Euch verachten und eine Dirne nennen.«
Obwohl Violante keine Lösung hatte für all diese Schwierigkeiten, ließ sie sich von ihnen nicht verwirren. Sie schwang die Füße über den Rand des Bettes und richtete sich auf. »Versprich mir, dass du keiner Menschenseele etwas von diesem Kind sagst. Und schon gar nicht, dass Bruder Simon etwas damit zu tun hat.«
»Also ist er tatsächlich der Vater?«
»Ja. Ich habe nie einen anderen Mann geliebt.«
»Was habt Ihr vor?«
»Ich muss darüber nachdenken. Vertrau mir, ich werde für uns alle eine Lösung finden.«
»Wollt Ihr denn das Kind behalten? Es wäre besser, Ihr würdet zu einer Kräuterfrau gehen.«
Violante schien ihr an die Gurgel springen zu wollen. »Was willst du damit sagen?« Violante fixierte sie aus funkelnden Augen. »Dieses Kind ist alles, was mir von Simon bleiben wird. Es gibt meinem Leben einen Sinn. Ich werde ihm all die Liebe schenken, die sein Vater von mir nicht annehmen darf.«
»Je nun.« Eudora verzog den Mund. »Ich versuche ja Eure Entscheidung zu verstehen. Aber was wollt Ihr tun?«
»Mich ankleiden«, erwiderte sie sachlich. »Gib mir bitte das graue Kleid mit dem grünen
Weitere Kostenlose Bücher