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Beginenfeuer

Beginenfeuer

Titel: Beginenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Christen
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mir durch, wenn von den Geschäften der Beginen die Rede ist. Hört Euch auf dem großen Markt um, und Ihr werdet keinen Bürger finden, der sich nicht darüber erregt. Berichtet dem König davon, und Ihr erweist Brügge einen guten Dienst.«
    Mathieu erwiderte die gemessene Reverenz zum Abschied, ohne diesen erwünschten Dienst zu versprechen. Er mochte es nicht, manipuliert zu werden. Die bitteren Erfahrungen seiner Jugend warnten ihn davor, sich jemals wieder zum Werkzeug der Wünsche und Interessen anderer machen zu lassen. Sogar den Befehlen des Königs beugte er sich nur, soweit sie ihm sinnvoll und vertretbar erschienen, wenngleich er diese Tatsache wie so vieles andere für sich behielt.
    Wieder allein trat er an eines der Spitzbogenfenster des Gemachs und blickte hinaus. Inzwischen war es so dunkel, dass er nicht einmal mehr die Masten der Schiffe vor der Waterhalle gegen den Himmel unterscheiden konnte. Von den Kanälen stieg feuchter Nebel auf und erstickte die wenigen Lichter, die sich in ihren Wassern spiegelten. Brügge hüllte sich in die Schleier der hereinbrechenden Nacht.
     
     
     
    Y SÉE
    Infirmerie des Beginenhofes, 14. November 1309
     
    »Wart Ihr schon bei der Beichte, Schwester Clementia? Was haltet Ihr von dem jungen Mitbruder unseres guten Paters, der sich neuerdings unserer Sünden annimmt?« Schwester Josephas faille nickte raschelnd im Takt ihrer Kopfbewegungen, während sie auf eine hagere Mitschwester einredete, die einer kranken Greisin geduldig Suppe einflößte. Josepha hätte Clementia bei dieser Aufgabe helfen sollen, aber sie stand nur daneben und schwatzte.
    Ysée bewunderte Schwester Clementia sowohl für die Geduld, mit der sie ihre Arbeit tat, wie für den Gleichmut, mit dem sie Josepha ertrug. Der große Krankensaal der Infirmerie beherbergte sechs lange Doppelreihen mit je zehn Schrankbetten. Jedes Einzelne stand zur schweren dunklen Balkendecke offen und besaß eine weitere Öffnung entlang der Längsseite, damit die Schwestern ihre Patienten pflegen konnten. Die zweite Längsseite bestand ebenso wie Kopf- und Fußteil aus einer schmucklosen Holzwand, die es von den anderen Betten trennte. Alle waren belegt, aber kein Kranker musste zurzeit seinen Strohsack mit einem Leidensgenossen teilen. Zum Ende des Winters, wenn für viele der ärmeren Handwerkerfamilien die Vorräte knapp wurden und die bittere Kälte durch Türen und Fenster drang, sah es anders aus. Dann mussten sogar Notbetten in den Gängen aufgestellt werden, und jeder Alkoven war doppelt, wenn nicht gar dreifach mit Patienten belegt. Dann nahm jeder unmittelbar am Leiden des anderen teil, sofern ihm die eigene Krankheit noch Kraft dafür ließ. Heute hörte man nur vereinzeltes Stöhnen und Seufzen, betende Stimmen und plaudernde Besucher, so wie Ysée wohl oder übel Josepha vernahm, die nur drei Schritte weiter ihre Pflicht versäumte und tratschte.
    Sie versuchte, das Gerede zu ignorieren und sich auf die eigene Arbeit zu konzentrieren. Alaina hatte ihr die Pflege einer Patientin aufgetragen, deren Beine mit eiternden Geschwüren bedeckt waren. Sie musste die alten Verbände vorsichtig lösen, ehe sie die Beine wie befohlen mit Wermutwasser säubern konnte. Die zweite Meisterin hatte sich erst entfernt, als sie sich mit eigenen Augen davon überzeugt hatte, dass ihre Schülerin jeden Handgriff wie befohlen tat. Ysée sah sie an der Stirnwand der Bettreihe mit der Schwester Apothekerin verhandeln. Wie immer behielt sie alles im Blick und schien überall zu sein, wo Hilfe gebraucht wurde. Soeben prüfte sie einen Kräuterabsud, der noch dampfend vor Hitze aus der Küche der Infirmerie kam. Ihre Tüchtigkeit verdiente Bewunderung, aber Ysée konnte sie nur anerkennen, wenn sie die zweite Meisterin von Weitem sah und nicht gerade das Opfer von Alainas gnadenloser Strenge wurde.
    »Was soll ich von dem Pater halten?« Vorne hustete die Greisin, und Clementia hielt den Holzlöffel achtsam zurück, bis die Frau wieder zu Atem kam. Sie hatte Zeit, Josephas Frage zu beantworten. »Er ist ein Diener Gottes.«
    »Ein höchst wohl geratener, findet Ihr nicht auch?« Josephas Stimme besaß einen lauernden Unterton, der Ysée verärgerte, ohne dass sie genau begründen konnte, weshalb. Auch Schwester Clementia reagierte gereizt. »Ich habe aufgehört, die Männer mit solchen Augen zu sehen, als ich zu den Beginen kam. Auch Ihr solltet das tun, Schwester.«
    »Dass ich Begine bin, heißt nicht, dass ich blind bin«,

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