Beginenfeuer
gestellt. Der Graf selbst befand sich in Gent. Ein Umstand, der Mathieu gut zupasse kam, denn er ersparte ihm den Austausch von nichts sagenden Höflichkeiten. Aus demselben Grunde verspürte er auch keine große Lust, den Wollhändler zu sprechen, aber der Angekündigte folgte dem Diener auf den Fersen. Ein eiliger Mann, mit einem großen Bewusstsein für die eigene Wichtigkeit, das war nicht zu verkennen.
Betont langsam erhob sich Andrieu von einem Stuhl, dessen Lehne der Löwe von Flandern zierte. Die Holzschnitzerei war so lebensecht ausgeführt, dass Jean es zuvor abgelehnt hatte, der Bestie mit seinem Rücken zu nahe zu kommen. Der Ritter blieb neben dem Kamin stehen. Zum einen, weil das Feuer an diesem Novemberabend angenehme Wärme verbreitete, zum anderen, weil er seinen Gast auf Distanz halten wollte. Die Kaufmannsgilden verschwendeten keine Zeit, ihre Interessen anzumelden. Wusste Cornelis von seiner Mission, oder galt der Besuch dem Gesandten des Königs an sich? Wollte er ihn aushorchen?
Mit der Besonnenheit, die sein König an ihm schätzte, erwiderte er die Reverenz des stämmigen Handelsmannes. In seinem Willkommen schwang eine wohl dosierte Spur von Erstaunen. Gerade so viel, dass klar wurde, dass er sich über die unangekündigte Visite wunderte, aber auch so beiläufig, dass sich der Besucher nicht gekränkt fühlen konnte.
Piet Cornelis vernahm die stumme Botschaft. Er betrachtete den jungen Ritter mit dem Argwohn eines Mannes, der sowohl als Vater wie auch als Kaufmann gelernt hatte, hochfahrenden Edelmännern zu misstrauen. Der König hatte einen Kämpfer und keinen Politiker nach Brügge geschickt. Breite Schultern kündeten von regelmäßigen Waffenübungen, das nüchterne Gewand verriet, dass sein Träger keinen Wert auf Äußerlichkeiten legte. Er trug das schwarze Haar für den Helm kinnlang gekürzt und blickte aus ruhigen grauen Augen auf seinen Gast.
Das gebräunte Antlitz blieb eher durch seine kantigen Züge und die leicht gekrümmte Nase im Gedächtnis denn durch Schönheit oder Ebenmaß.
»Es ist mir ein Anliegen, Euch im Namen des Schöffenrates von Brügge in unserer Stadt willkommen zu heißen.« Cornelis garnierte seine Worte mit dem Lächeln, das er für besonders knauserige Galeerenkapitäne reserviert hatte. »Wenn wir Seiner Majestät und Euch in irgendeiner Weise zu Diensten sein können, Seigneur, sagt es frei heraus.«
»Ihr tut mir zu viel Ehre an, Herr Cornelis.« Andrieu verschränkte die Arme vor der Brust. »Es sind bescheidene Aufträge der Krone, die mich nach Brügge führen. Nichts, was Euch berühren und Eure freundlichen Dienste erfordern würde.«
Cornelis, den Umgang mit schwierigen Schöffen und widerwilligen Zunftbrüdern gewohnt, schenkte ihm trotz der Abfuhr leutseliges Wohlwollen. »Dann macht mir wenigstens die Freude und speist dieser Tage mit mir, Herr Ritter. Wir sind fern vom Hof und süchtig nach Neuigkeiten. Verratet mir, was man in Paris zu dem bösen Gerücht sagt, dass Seine Heiligkeit der Papst die Gräfin von Périgord nicht nur zur Beichte empfängt. Man will kaum glauben, was man alles aus Avignon erfährt.«
Andrieu verabscheute Klatsch dieser Art, aber er nahm die Einladung mit der gebotenen Höflichkeit an. »Natürlich nur, wenn Ihr auch Zeit für mich habt«, schränkte er die Zusage ein. »Brügge und seine Bürger scheinen mir dermaßen geschäftig zu sein, dass ich es kaum wage, Euren Tagesablauf zu stören.«
»Da sorgt Euch nicht.« Der Kaufmann winkte gönnerhaft ab. »Vor wenigen Tagen wurden die letzten Kauffahrer entladen, und der nahende Winter bringt alle Geschäfte außerhalb Brügges zum Erliegen. Die nächsten Monate gehören allein der Fabrikation unserer Handelswaren. Spinnen, Weben, Walken, Rauen, Scheren, Bleichen und Färben müssen getan werden, damit wir im Frühling genügend Tuchballen haben, über die verhandelt werden kann. Ihr werdet das Klappern der Webstühle von einem Ende der Stadt zum anderen vernehmen.«
»Auch hinter den Mauern des Beginenhofes vom Weingarten?« Mathieu fragte es ganz beiläufig, um Cornelis aus der Reserve zu locken. Er beugte sich zum Kamin, um ein Holzscheit nachzulegen. »Ich habe gehört, dass die frommen Frauen Tuch von besonderer Qualität fertigen.«
Piet Cornelis gab ein Schnauben von sich. »Nicht besser und nicht schlechter als das übrige Brügger Tuch, Herr Ritter. Lediglich billiger, weil die frommen Frauen unter der weltlichen Obhut Seiner Majestät des Königs
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