Begraben
Albträumen konnten sich Depressionen verbergen, aber es konnte sich ebenso gut um eine Schlafapnoe handeln. Nur diese Art der Überwachung gab letztlich Aufschluss darüber.
Zwei Monitore kontrollierten die beiden Schlafenden, während der Computer ihre Vitalparameter aufzeichnete. Am Kopf angeschlossene Elektroden maßen die Hirnströme und erstellten ein EEG, das Elektroenzephalogramm. Andere Sonden an Augen und Kinn dienten zur Registrierung der Muskelanspannung. Außer den regelmäßigen Pfeiftönen der Apparate war in den beiden Zimmern nichts zu hören. Cyrilles Abendkleid verschwand unter einem weißen Kittel. Sie bediente sich auf dem Gang an der Kaffeemaschine und füllte einen zweiten Becher für ihren Kollegen. Sie berührte Thierry Panis leicht am Arm und hielt ihm den Becher hin. Verschlafen schreckte der Arzt hoch.
»Tut mir leid, ich bin eingenickt.«
»Das ist meine Schuld, ich bin zu spät.«
Panis ging zum ersten Bildschirm und begann mit seiner Übergabe.
»Die Patientin in Nummer eins ist sofort eingeschlafen und hat eine halbe Stunde lang die unteren Gliedmaßen bewegt, also ein eindeutiger Fall von Restless-legs-Syndrom, von ruhelosen Beinen.«
»Sehr gut.«
»Was den Patienten in der zwei angeht … Aber sehen Sie selbst.«
Panis deutete auf den zweiten Monitor. Cyrille trat näher und erkannte Julien Daumas, der mit nacktem Oberkörper auf dem Bett lag und schlief.
Er schlief, daran ließ das EEG keinen Zweifel.
Aber seine Augen waren weit geöffnet.
Cyrille stellte ihren Becher ab und zog einen Notizblock und einen Stift aus der Kitteltasche. Dieser Mann hatte den ganzen Tag über ihre Gedanken beschäftigt. Ihn jetzt hier schlafend vor sich zu sehen, das war … wie ein bedrückender Traum, von dem sie sich nicht befreien konnte. Sie betrachtete die langsame, unregelmäßige Linie der Gehirnströme.
»Er ist im Tiefschlaf«, sagte sie mehr zu sich selbst als zu ihrem Kollegen, der seinen Motorradblouson anzog.
Dies war die Phase nächtlicher Angst und des Schlafwandelns. Sie notierte die Zeit: 1 Uhr 30.
»Er ist schon seit zehn Minuten in diesem Stadium«, fuhr sie fort, »gleich kommt er in die REM-Phase. Na los, Julien, genau darauf warte ich.«
»Ich hoffe für Sie, dass er auch träumt.«
»Ja, ich auch. Wenn er einen Albtraum hat, müsste der jetzt einsetzen.«
Cyrille, die plötzlich hellwach und konzentriert war, trank ihren letzten Schluck Kaffee.
»Gute Nacht, Cyrille.«
»Gute Nacht, Thierry, und noch mal Entschuldigung wegen der Verspätung.«
»Nicht der Rede wert.«
Dr. Blake, die anders frisiert und geschminkt war als normalerweise, betrachtete die Monitore. Panis beobachtete sie aus den Augenwinkeln. Gedanken sexueller Natur kamen ihm in den Sinn … Er blinzelte und ging.
Die EEG-Kurve von Julien Daumas verlief regelmäßig, es gab nur wenige kleine unstrukturierte Ausschläge. Cyrille hatte noch nie jemanden erlebt, der mit offenen Augen schlief, das war sehr eindrucksvoll. Sie müsste diesbezüglich einige Recherchen vornehmen. Sie blieb noch eine Weile wachsam. Beide Patienten schliefen gut, und sie selbst verspürte ebenfalls eine gewisse Müdigkeit.
Plötzlich schreckte eine Serie von Alarmtönen aus Zimmer 2 sie auf. Julien hatte die Lider geschlossen, die Sonden an seinen Schläfen erfassten schnelle Augenbewegungen, die anderen hingegen zeigten eine maximale Relaxierung der Skelettmuskeln an. Die EEG-Kurve wurde flacher und die Frequenz schneller. Bei den gemessenen Gehirnwellen handelte es sich um Theta- und Alphawellen, die typisch für den Traumschlaf waren. Cyrille konzentrierte sich auf den Bildschirm. Sollte der Albtraum einsetzen, dann jetzt. Der junge Mann, der auf dem Rücken lag, die Arme dicht am Körper, und die Decke weggeschoben hatte, zeigte plötzlich eine intensive zerebrale Aktivität. Die Augen zuckten unter den geschlossenen Lidern hin und her. Seine Schlafanzughose wölbte sich auf der Höhe des Schritts. Zwanzig Minuten verweilte er in diesem Zustand. Die Erektion und die Augenaktivitäten ausgenommen, lag er völlig reglos da und träumte. Dann beschleunigte sich der Rhythmus der Gehirnaktivität noch mehr, und Julien schlug die Augen auf. Er drehte sich auf die linke Seite und schlummerte wieder ein.
Cyrille seufzte. Damit hätte sie rechnen müssen. Sobald sie einen unter Albträumen leidenden Patienten ins Schlaflabor aufnahm, schlief er wie ein Baby, was darauf zurückzuführen war, dass er sich hier gut
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