Begrabene Hunde schlafen nicht
er einen Hauptschlüssel zur Hölle. – War nett, dich zu
sehen, Varg. Und wenn du wieder mal in der Stadt bist …«
Preben Backer-Steenberg nickte mir kurz zu, und sie gingen
zur Treppe. Ich setzte mich wieder zu Kaffee und Cognac.
Auf dem Weg zur Treppe beugte sich Asbjørn Hellesø leicht
zu Backer-Steenberg hinüber und sagte etwas.
An der Treppe drehten sie sich um und sahen in meine Richtung, alle beide. Als sie meinem Blick begegneten, wichen sie
ihm aus wie schüchterne Schulmädchen, die zum allererstenmal
allein in der Stadt sind. Aber das waren sie nicht – keiner von
ihnen war das.
18
Ich blieb sitzen und blätterte in meinem Notizbuch. Svein
Grorud wohnte auf Aker Brygge, Axel Hauger in Grünerløkka.
Kannte ich jemanden in Oslo, der …
Ove Haugland!
Ove Haugland hatte bei der Aufdeckung dunkler Geschäfte im
Bergenser Wirtschaftsleben so exzellente Arbeit geleistet, daß er
– es mußte 1986 gewesen sein – von einem Zeitungshai in die
Akersgate herübergeholt worden war, um seinen Erfolg auszubauen. Das hatte er so gründlich getan, daß er ein paar Jahre
später fünf Lohnstufen nach oben und über die Straße zum
Nachbarhai gehüpft war, nach einem kurzen Intermezzo in
Marienlyst.
Ove Haugland konnte mir die Hintergrundinformationen, die
ich brauchte, geben – wenn er denn wollte.
Ich ging zu einem Münztelefon, das neben der Toilettentür
hing, schlug die Nummer der Zeitung im Telefonbuch nach, rief
an und fragte nach Ove Haugland. Er war nicht da, aber die
Dame in der Zentrale gab mir seine Privatnummer in Tåsen. Ich
wählte erneut, aber es nahm niemand ab. Also notierte ich mir
die Nummer und ging zum Tisch zurück.
Auf halbem Wege änderte ich meine Meinung und kehrte um.
Ich rief Marit Johansen an. Auch sie war nicht zu Hause. Da ich
einmal dabei war, wählte ich die Nummer von Thomas, um zu
überprüfen, ob nicht vielleicht der Apparat kaputt war.
Das war er nicht.
Ich erreichte Thomas. Von dem, was ich in der Zwischenzeit
erlebt hatte, sagte ich nichts, aber ich deutete an, daß ich
wahrscheinlich übers Wochenende in der Stadt bleiben würde.
»O verdammt«, sagte er. »Und wir haben Maris Eltern versprochen, sie zu besuchen.«
»In Løten?«
»Ja.«
»Das macht nichts. Ich fürchte, ich werde auch ziemlich
beschäftigt sein. Ich habe ein paar lose Fäden zu verfolgen.«
»Ich verstehe. Wohnst du … Wenn du willst, kannst du gern
am Wochenende die Wohnung haben. Der Schlüssel hängt unter
der Treppe, ganz oben links hinter der Leiste.«
»Ich weiß nicht, ob das aktuell wird, aber trotzdem danke. –
Wann fahrt ihr hoch?«
»Morgen abend.«
»Und kommt wieder …«
»Sonntag abend.«
»Okay. Dann melde ich mich auf jeden Fall, wenn ihr zurück
seid. Grüß Mari von mir, und macht’s gut.«
»Mach’s gut, Pa … Vati.«
Ich legte auf.
In Gedanken versunken holte ich noch ein paar Münzen heraus. Ich steckte zwei davon in den Apparat.
Dann wählte ich die Nummer von Axel Hauger. Auch dort
nahm niemand ab.
Was war los in Oslo, donnerstags abends, das dazu führte, daß
nur Frischverhebte zu Hause waren?
Ich ging an meinen Tisch zurück, leerte Tasse und Glas,
dankte dem Ober für die Gastfreundschaft und begab mich
hinaus in den verkaufsoffenen Osloer Abend, als läge die
Lösung des Rätsels da draußen.
Ich trottete die Stortingsgate hinauf und hinunter zur Aker
Brygge. Mir fiel plötzlich auf, daß in der Olav Vs Gate weit
weniger Ausländer waren als in der Torggate.
Hier waren die Gehsteige voller Fernsehquizreisegewinner auf
einem Ausflug von Smestad zum Rådhusplass. Die meisten
ungefähr halb so alt wie ich. Die jüngsten standen in Trauben
vor den großen Kinocentern. Die ältesten hatten die Wahl, sich
in den beliebtesten Trink- und Kennenlern-Lokalen zu stapeln.
Wenn du auch niemanden kennenlerntest, so wurdest du
jedenfalls blau. Und begegnetest du nicht der großen Liebe, so
gab es auf jeden Fall jemanden, der dir gern ein bißchen an die
Wäsche ging.
Ich ging weiter, vorbei am alten Westbahnhof und dann den
Kai entlang. Anscheinend wurde immer noch diskutiert, ob sie
daraus ein Opernhaus machen sollten oder nicht.
Im Gegensatz zum Vandalismus in Vaterland war das AkerBrygge-Viertel ein vergleichsweise gelungener Versuch, in
Norwegen einen postmodernen Stadtteil zu bauen, angepaßt an
das öffentliche Leben und die Umgangsformen der achtziger
und neunziger Jahre. Zum Kai hin bildeten die alten Ziegelsteinwände von
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