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Begrabene Hunde schlafen nicht

Begrabene Hunde schlafen nicht

Titel: Begrabene Hunde schlafen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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Schublade, ganz hinten zur Wand
hin, unter vier handgestrickten Wollpullovern mit Applikationen, zwei davon mit eingearbeitetem Goldfaden.
Es war die gleiche Art Umschlag, wie man sie unter dem Bett
in Zimmer 1940 gefunden hatte, mit dem Namen desselben
Fotografen darauf: PER UND PÅL FOTOSCHOP. Inhaber: Pål
Helge Solbakken.
Ich drehte den Umschlag um. Er war offen.
Ich ging zum Fenster und fischte den Inhalt heraus.
Es waren vier identische Fotos, so körnig, daß sie bei schlechter Beleuchtung oder aus zu großem Abstand aufgenommen
worden sein mußten, um später in der Dunkelkammer vergrößert
und neu belichtet zu werden.
Trotzdem war nicht schwer zu erkennen, was sie abbildeten,
und ich erkannte sofort zwei Personen auf dem Bild wieder.
Vier Männer saßen um einen Restauranttisch bei Kaffee und
Cognac. Drei davon trugen Anzug, weißes Hemd und Schlips.
Der vierte, am Ende des Tisches, trug dunkle Hosen und etwas,
das aussah wie eine neutral geschnittene Wildlederjacke. Unter
der Jacke trug er ein dunkles Hemd mit hellem Schlips.
Es waren die beiden außen Sitzenden, die ich wiedererkannte.
Den Mann zur Rechten hatte ich vor ungefähr einer Stunde mit
Asbjørn Hellesø getroffen: Preben Backer-Steenberg.
Den anderen hatte ich zwar nicht lebend gesehen, aber auf
einem klaren und deutlichen Bild im Polizeigebäude. Es war der
Schwede vom Oslo Plaza, P. E. Jansson.
Einer der beiden Männer dazwischen war ein robuster Typ mit
einem fleischigen Gesicht, Breschnjewbrauen und blondem,
nach hinten gekämmtem Haar …
Der vierte …
Die markanten Gesichtszüge, die kräftigen, metallgerahmten
Brillengläser, das volle, graugesprenkelte Haar …
… kam mir irgendwoher bekannt vor.
Dann, plötzlich, kam er herangesegelt, direkt aus dem Rahmen, in dem ich ihn zuletzt gesehen hatte, zwanzig Jahre jünger
und in Hochzeitsstaat.
Es war Merete Sjøwolds Mann, Fredrik Loewe, verstorben
1988.
Ich drehte eins der Bilder um und betrachtete die Rückseite.
Der Fotograf hatte es mit einem Stempel datiert: 2. März 1986.
Vier Personen, und zwei davon waren tot. Aber Preben Backer-Steenberg lebte, zumindest noch vor einer Stunde. Und der
Vierte im Bunde?
Aber das war nicht alles. Auf dem Bild geschah etwas. Preben
Backer-Steenberg reichte dem Mann ganz links, P. E. Jansson,
einen Umschlag, und Jansson lehnte sich mit einem sardonischen Lächeln auf den Lippen nach vorn. Aus einer seiner
Taschen ragte eine zusammengefaltete Zeitung. Man konnte den
Kopf einer der Boulevardzeitungen der Hauptstadt erkennen und
mehr als genug vom Leitartikel, um festzustellen, von welchem
Tag sie stammte, wenn man diesen Bildteil nochmals vergrößerte.
Was war in dem Umschlag?
Was wollte P. E. Jansson damit?
Welche Rolle spielte Backer-Steenberg?
Aber zuallererst: War dies nicht ein noch stärkeres Indiz dafür,
daß es tatsächlich Merete Sjøwold von 1965 war, die ich anderthalb Tage zuvor im Vorzimmer von Svein Grorud getroffen
hatte?
Da stand ich, die Bilder in der Hand.
Was sollte ich mit ihnen machen? Sie zurücklegen und im
Hinterkopfarchiv festhalten, so gut ich konnte? Sie mitnehmen
und direkt damit zur Polizei gehen? Oder den goldenen Mittelweg wählen, eine Kopie mitnehmen, die drei anderen zurück in
den Umschlag legen und alle verfügbaren Daumen drücken, daß
die vier Kopien zu zählen nicht gerade das letzte war, was sie
abends taten, bevor sie schlafen gingen, und das erste, wenn sie
morgens wieder aufstanden?
Ich setzte auf letzteres.
Eine Kopie rollte ich vorsichtig zusammen und steckte sie in
die Innentasche meiner Jacke. Die anderen drei legte ich fein
wieder an ihren Platz zurück und schob die Schublade zu.
Ich hatte mich gerade wieder erhoben, als ein Geräusch mein
Ohr erreichte. – Jemand hatte einen Schlüssel ins Schloß
geschoben!
Automatisch machte ich ein paar Schritte auf die offene Tür
zu, dann blieb ich stehen. Draußen drehte jemand den Schlüssel,
ich hörte das Rascheln eines Schlüsselbundes.
Hastig sah ich mich um.
Die einzige Tür im Zimmer führte auf den Flur.
Jetzt hörte ich dort draußen Schritte und das Geräusch eines
Kleiderbügels, der abgenommen wurde.
Ich schlich vorsichtig zum Fenster und sah hinaus. Drei
Stockwerke abwärts, ein Gesims, auf dem du dich nur als
Seiltänzer entlangbewegen konntest, und nichts als das Wäschegestell, um dich aufzufangen, wenn du den Halt verlorst.
Ich drehte mich wieder um. – Der Kleiderschrank! – Nein, der
war zu voll,

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