Behemoth - Im Labyrinth der Macht
Deryn – als Mann durchzugehen. Nur hatte sie sich dazu nicht als Mann verkleiden müssen, und Deryn konnte nicht umhin, das zu bewundern.
Leider hatte das Mädchen die unangenehme Eigenschaft, immer dann aufzutauchen, wenn Alek und Deryn allein waren.
Warum hatte Alek nicht erwähnt, dass sie mitkommen sollte? Gab es noch mehr Geheimnisse, was Lilit anging?
»Ist es, weil ich ein Mädchen bin?«, fragte Lilit steif.
»Natürlich nicht.« Deryn schüttelte den Kopf. »Ich bin nur verschlafen, das ist alles.«
Lilit wirkte leicht verärgert und wartete auf die Fortsetzung der Erklärung. Doch Deryn drehte sich einfach um und ging in Richtung des vornehmen Viertels der Stadt davon.
Das Hotel Hagia Sophia stand dunkel und still da und über dem Eingang brannte nur eine einsame Gaslaterne. Deryn und Alek schauten zu, wie Lilit hineinging und an der Tür vom Portier begrüßt wurde.
»Ist es nicht ein bisschen überflüssig, dass wir hinein schleichen? «, flüsterte Deryn. »Glaubst du wirklich, die würden uns wiedererkennen?«
»Wenn die meinen Brief gefunden haben«, sagte Alek, »werden Tag und Nacht ein Dutzend deutsche Agenten in der Halle herumsitzen.«
Deryn nickte. Da hatte er natürlich recht: Jede Spur von Österreichs vermisstem Prinzen würde mehr Aufruhr erzeugen als ein gestohlenes Taxi.
»Sie trifft sich hier hinten mit uns.« Alek führte Deryn zu einer kleinen Gasse, wo neben dem Kücheneingang Müll aufgehäuft wurde. Offensichtlich hatten Alek und Lilit die Sache sehr genau geplant.
Deryn verscheuchte die Eifersucht aus ihren Gedanken. Sie war ein Soldat mit einer Mission, nicht irgendein dummes Mädel, das beim Dorftanz nach einem Jungen schmachtete.
Also schlich sie näher heran und spähte durch ein Fenster. In der Küche war es dunkel und die reglosen Arme eines mechanischen Tellerwäschers warfen unheimliche Schatten. Nach einigen Minuten bewegte sich lautlos ein Schemen durch die Finsternis und dann öffnete sich quietschend die Tür.
»Der Empfang vorn ist besetzt«, flüsterte Lilit. »Und in der Halle sitzt ein Mann und liest. Seid also leise.«
Als sie hineinschlüpften, stieg Deryn der Duft von köstlichstem Essen in die Nase, an den sie sich von den beiden Tagen, in denen sie hier gewohnt hatte, noch erinnern konnte. Schalen mit Datteln und Aprikosen und glänzenden gelben Tomaten standen auf einem langen Tisch. Auberginen glänzten purpurn in der Dunkelheit und warteten auf blitzblanke Messer, die sie am Morgen zerlegen würden.
Beim Geruch von Paprika zuckte sie zusammen. Zaven hatte den ganzen Tag Gewürzbomben gemischt und Deryn brannten davon immer noch die Augen.
Lilit führte sie aus der Küche in einen stockdunklen, leeren Speisesaal. Die Tische waren bereits gedeckt und Servietten waren ordentlich gefaltet, als würden im nächsten Moment die ersten Gäste eintreffen. Deryn überfiel wieder dieses Frösteln, wie jedes Mal wenn sie sich an derartig vornehmen Orten aufhielt.
»Da ist eine Hintertreppe für die Dienstboten«, flüsterte Lilit und ging auf eine kleine Tür in der Wand gegenüber zu.
Auf der schmalen Treppe war es stockfinster und die Stufen knarrten bei jedem Schritt. Mechanisten-Holz klang immer so alt und unglücklich, wie Deryns Tanten an einem kalten Wintermorgen. Das passierte vermutlich, wenn man Bäume einfach abhackte anstatt das Holz mit Pflanzenschöpfungen herzustellen.
Die drei stiegen langsam hinauf, um möglichst wenig Lärm zu machen, und lange Minuten später führte Lilit sie in einen breiten, vertrauten Gang.
Deryn lief es kalt den Rücken hinunter, als sie an Aleks altem Zimmer vorbeigingen. Wenn der Brief nun entdeckt worden war und dort ein halbes Dutzend Mechanisten-Agenten warteten?
Lilit blieb zwei Türen weiter stehen und zog einen Schlüssel hervor. Einen Moment später standen sie in einer Suite, die ebenso edel eingerichtet war wie Aleks frühere. Erneut fragte sich Deryn, was an diesem Brief so wichtig sein mochte. War er es wert, Geld für diese Suite auszugeben, Geld, das man besser für die Läufer des Komitees einsetzen konnte?
Lilit zeigte zur Außenwand. »Der Balkon.«
Deryn durchquerte das Zimmer und trat hinaus in die kalte Nacht. Hier im obersten Stockwerk waren die Balkone fast so breit wie die Suiten selbst. Man gelangte leicht von einem zum anderen – mit einem Sprung, wie ihn ein Flieger jeden Tag machte.
Aber sie wandte sich an Alek und flüsterte: »Wenn du mich in deinen brüllenden Plan
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