Behemoth - Im Labyrinth der Macht
an, dann legte er die Hände aneinander. »Dieser Brief ist keine Garantie dafür, dass Sie den Thron besteigen werden.«
»Das weiß ich. Aber das Wort des Papstes hat durchaus Gewicht.«
»Ach, das habe ich ganz vergessen.« Der Wildgraf wandte sich ab. »Sie waren ja im Land der Ungläubigen und Heiden unterwegs. Deshalb haben Sie die Nachricht aus dem Vatikan sicher nicht gehört.«
»Welche Nachricht?«
»Der Heilige Vater ist gestorben.«
Alek starrte den Mann an.
»Es heißt, der Krieg habe seiner Gesundheit zugesetzt«, fuhr Volger fort. »Er hat sich zu sehr den Frieden gewünscht. Allerdings spielen seine Wünsche jetzt keine Rolle mehr.«
»Aber … Der Brief repräsentiert den Willen des Himmels. Der Vatikan wird die Echtheit doch bestätigen, oder?«
»Davon möchte man ausgehen. Natürlich hat jemand dort den Deutschen vom Besuch Ihres Vaters erzählt.« Der Graf breitete die Hände aus. »Hoffentlich hatte derjenige keinen Einfluss auf den neuen Papst.«
Alek wandte sich dem Fenster zu und versuchte, aus Volgers Nachrichten schlau zu werden.
Nach dem Tod seiner Eltern war die ganze Welt dem Wahnsinn verfallen, als hätte die Familientragödie einen Bruch in der Geschichte verursacht. Aber in Istanbul hatte sich für Alek wieder eine gewisse Ordnung hergestellt. Die Revolution des Komitees, Dylans Ankunft und die Hilfe des Behemoths , das alles hatte ihm die Gewissheit gegeben, dass ihm die Aufgabe oblag, den Krieg zu beenden und die Angelegenheiten zu klären. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er sich bei seinen Handlungen sicher gefühlt, als würde ihn die Vorsehung leiten.
Nun wurde die Welt erneut auf den Kopf gestellt. Das Schicksal brachte ihn nicht zurück ins Zentrum des Kriegs, sondern weit fort von seiner Heimat und seinem Volk, fort von allem, für das er geboren war. Und der Brief in seiner Hand, das einzige Vermächtnis seines Vaters, das Alek nicht weggeworfen hatte, war inzwischen vielleicht wertlos.
Was für eine verrückte Vorsehung war das?
Nachwort
Behemoth ist ein Roman, der eine alternative Weltgeschichte erzählt, und die Figuren, Wesen und Maschinen habe ich mir selbst ausgedacht. Die historischen Orte und Ereignisse sind jedoch nah an die tatsächlichen Geschehnisse des Ersten Weltkriegs angelehnt. Deshalb möchte ich an dieser Stelle einen kurzen Überblick darüber geben, was wahr ist und was erfunden.
Das Kriegsschiff Sultan Osman I gab es wirklich. Es war vom Osmanischen Reich bestellt worden und sollte Ende 1914 in einer britischen Werft fertig gestellt werden. Bei Kriegsbeginn entschied der Erste Lord der Admiralität Winston Churchill jedoch, das Schiff zu beschlagnahmen, da er befürchtete, die Osmanen könnten sich mit den Deutschen verbünden und das Kriegsschiff gegen die Briten einsetzen. Die Osmanen traten schließlich in den Krieg ein, allerdings zum Teil gerade deswegen, weil Churchill ihnen ihr Schiff gestohlen hatte. Bis heute bleibt die Frage offen, ob sie sich ohne diese Provokation überhaupt ins Geschehen eingemischt hätten.
Wie in Behemoth war die Lage 1914 im Osmanischen Reich unruhig. In Wirklichkeit besaßen der Sultan und sein Großwesir jedoch längst nicht mehr die Macht. Sie waren in der Revolution von 1908 gestürzt worden und das Komitee für Einheit und Fortschritt hatte die Regierung übernommen.
In der Welt von Behemoth blieb die Revolution von 1908 erfolglos, das Komitee war in kleine Fraktionen gespalten und der Sultan durfte weiter herrschen. Den zweiten Umsturz 1914 habe ich eingeführt, weil ich meine Figuren an einer erfolgreichen Revolution beteiligen wollte, und zwar an einer, die der Weltgeschichte vielleicht zu einem positiveren Verlauf verholfen hätte.
Der deutsche Einfluss auf Istanbul entspricht den Tatsachen; den Deutschen gehörte eine sehr beliebte Zeitung, während aus dem Stab der britischen Botschaft niemand Türkisch lesen konnte. (Kaum zu glauben, aber wahr.)
Wie im Buch saßen die deutschen Kriegsschiffe Breslau und Goeben zu Kriegsbeginn im Mittelmehr in der Falle. Sie entkamen nach Istanbul, wurden dort mitsamt ihrer Mannschaft in die osmanische Marine übernommen. Im Gegenzug machten die Osmanen Admiral Wilhelm Souchon, den Kommandanten der Goeben , zum Oberbefehlshaber ihrer gesamten Flotte. Am 24. Oktober 1914 griff Admiral Souchon ohne offizielle Erlaubnis die russische Marine an und zog so die Osmanen in den Krieg.
In der echten Welt endete der Krieg mit der Aufsplitterung des osmanischen
Weitere Kostenlose Bücher