Behemoth - Im Labyrinth der Macht
ölverschmierter Reitkleidung und mit vom Propellerwind zerzaustem Haar – hatte Alek den Wildgrafen selten gesehen. Überhaupt hatte Alek Volger seit dem Gefecht nicht mehr zu Gesicht bekommen. Seit Aleks Entlassung hatten beide jeden wachen Augenblick an den Motoren gearbeitet.
»Ach, Hoheit«, sagte der Wildgraf und verneigte sich halbherzig. »Ich habe mich schon gefragt, ob man Sie ebenfalls gerufen hat.«
»Ich gehe, wohin die Eidechsen mich rufen.«
Volger lächelte nicht, sondern drehte sich einfach um und stieg die Treppe hinunter. »Abscheuliche Viecher. Der Kapitän muss wichtige Neuigkeiten haben, sonst würde er uns nicht auf die Brücke bitten.«
»Vielleicht möchte er sich bedanken.«
»Ich fürchte, so erfreulich wird es nicht werden«, sagte Volger. »Vermutlich handelt es sich um etwas, das wir erst erfahren sollten, nachdem wir die Motoren wieder in Gang gebracht haben.«
Alek runzelte die Stirn. Wie stets ergaben die Worte des Wildgrafen Sinn und er blieb misstrauisch. Und obwohl er jetzt eine Weile lang mit den Tier-Schöpfungen auf der Leviathan zusammengelebt hatte, hatte er seine Meinung darüber nicht geändert.
»Sie trauen den Darwinisten nicht über den Weg, ja?«, fragte Alek.
»Und das sollten Sie auch besser nicht.« Volger blieb stehen und schaute sich im Gang um. Er wartete, bis zwei Männer vorbeigegangen waren, dann zog er Alek weiter die Treppe hinunter.
Einen Augenblick später waren sie auf dem untersten Deck der Gondel angekommen und standen in einem dunklen Korridor, der nur von den Glühwürmchen des Schiffes erhellt wurde.
»Die Lagerräume sind so gut wie leer«, stellte Volger leise fest. »Sie werden nicht einmal mehr bewacht.«
Alek lächelte. »Haben Sie etwa spioniert?«
»Wenn ich nicht gerade an Zahnrädern herumschraube wie ein gewöhnlicher Mechaniker. Aber wir müssen uns beeilen. Sie haben mich schon einmal hier erwischt.«
»Was halten Sie also von meiner Nachricht?«, fragte Alek. »Diese Panzerschiffe sind nach Konstantinopel unterwegs, oder?«
»Sie haben ihnen verraten, wer Sie sind«, sagte Graf Volger.
Alek erstarrte einen Moment lang, als er diese Worte vernahm. Dann blinzelte er und wandte sich ab. Seine Augen brannten, so sehr schämte er sich, so sehr war er enttäuscht. Er fühlte sich wieder wie der Junge im Fechtunterricht, bei dem Volger seine Treffer mit dem Säbel hatte setzen können, wie er nur wollte. Schließlich räusperte er sich und erinnerte sich daran, dass der Wildgraf nicht mehr sein Lehrer war. »Dr. Barlow hat es Ihnen gesagt, oder? Um Ihnen zu zeigen, dass Sie etwas gegen uns in der Hand hat.«
»Nicht schlecht geraten. Aber es war noch einfacher – Dylan hat es mir verraten.«
»Dylan?« Alek schüttelte den Kopf.
»Er hat nicht gewusst, dass Sie Geheimnisse vor mir haben.«
»Ich habe keine …«, begann Alek, aber es war sinnlos, darüber zu streiten.
»Was ist denn eigentlich in Sie gefahren?«, flüsterte Volger. »Sie sind der Thronerbe von Österreich-Ungarn. Warum binden Sie das unseren Feinden auf die Nase?«
»Dylan und Dr. Barlow sind keine Feinde«, erwiderte Alek standfest und blickte Graf Volger in die Augen. »Und sie haben keine Ahnung, dass ich der rechtmäßige Erbe des Throns bin. Niemand außer Ihnen und mir weiß von dem Brief des Papstes.«
»Nun, dafür sei dem Himmel Dank.«
»Und ich habe es ihnen nicht verraten, jedenfalls nicht im eigentlichen Sinne. Dr. Barlow ist von ganz allein daraufgekommen, wer meine Eltern sind.« Alek sah zur Seite. »Trotzdem tut es mir leid. Ich hätte es Ihnen längst sagen sollen.«
»Nein. Sie hätten einfach nichts zugeben dürfen, gleichgültig, wie viel die erraten haben! Dieser Dylan ist völlig arglos – der kann ein Geheimnis nicht bewahren. Vielleicht halten Sie ihn für Ihren Freund, aber in Wirklichkeit ist er nur ein Bauer. Und Sie haben Ihre Zukunft in seine Hände gelegt.«
Alek schüttelte den Kopf. Mochte Dylan auch von bürgerlicher Abstammung sein, so blieb er trotzdem sein Freund. Er hatte sogar sein Leben aufs Spiel gesetzt, um Aleks Geheimnis zu schützen.
»Überlegen Sie doch mal, Volger! Dylan hat es Ihnen gegenüber zugegeben und nicht einem der Schiffsoffiziere verraten. Wir können ihm vertrauen.«
Der Graf trat weiter in die Dunkelheit. Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Hoffentlich haben Sie recht, Alek. Sonst wird uns der Kapitän vermutlich sagen, er werde uns mit seinen neuen Motoren nach
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