Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur
soll drei Tage Schnee geben in Ankara, diese verpennten Meteorologen. Ist doch egal, freu dich doch mal über den sonnigen Tag nach so vielen verschneiten
. Er empfand ein Gefühl der Freude, ohne sagen zu können, ob es vom Wiedersehen mit Bahar oder von der Sonne herrührte, die seine Knochen erwärmte.
»Bin ich ein Faschist?«
»Ja, bist du.«
Seine Freude blieb ihm im Halse stecken. Er rüttelte an der Klinke, stemmte sich gegen die Tür, doch sie ließ sich nicht öffnen. Die Schreie des kleinen Mädchens hinter der Tür klangen immer verzweifelter.
»Soll ich sie einschlagen?«
»Du liebst es, immer alles kaputtzumachen. Ich mache dir auf.« Ceyda streckte ihre Hand aus, und sofort öffnete sich die Tür. In dieser Wohnung ging ja alles drunter und drüber, wie in seinem Leben. Er riß Ceyda an ihren Schultern und schüttelte sie kräftig.
»Wo kommst du denn auf einmal her, du hysterisches Weib? Wo ist Bahar?«
»Wer ist das?«
»Hat mir gerade die Tür aufgemacht.«
»Nein, das war ich. Yunus kommt auch gleich. Er will mit dir sprechen.«
»Sag Yunus, er braucht gar nicht erst zu kommen, sonst brech ich ihm die Nase. Wenn du was zu sagen hast, sag es mir jetzt.«
»Du bist so grob.«
Behzat Ç stand eine Weile vor der Tür und fürchtete sich davor, einzutreten. Er mußte Ceyda recht geben, und das schmerzte ihn. Zum ersten Mal spürte er so deutlich, daß er wirklich ein grober Mensch war.
»Geh doch rein.«
Mitten auf dem Teppich lag ein junges Mädchen der Länge nach ausgestreckt. Er erkannte sie an ihrer Kleidung. Es war Betül.
»Ist sie bei ihrem Selbstmord hier aufgeprallt?«
»Nein, das gerichtsmedizinische Institut hat sie hierher gebracht.«
»Warum?«
»Damit du sie identifizierst.«
»Ist denn ihr Vater nicht gekommen?«
»Doch. Aber der hat sie nicht erkannt. Du mußt sie dir auch noch einmal ansehen.«
Behzat Ç näherte sich dem Mädchen und drehte ihr Gesicht zu sich. Es war nicht Betül, sondern seine eigene Tochter Berna. Er wollte aufschreien, doch seine Stimme versagte.
Er schreckte hoch. Der Sessel hatte Spuren in sein Gesicht gedrückt. Er hatte sich mit Bier bekleckert. Obwohl er sich fühlte, als wäre er gerade vor zwei Minuten weggenickt, waren geschlagene fünfundvierzig Minuten vergangen. Sein Herz pochte immer noch wie wild.
Ich muß unbedingt einen Beistelltisch kaufen
. Auf NTV hatten schon die Sportnachrichten angefangen. Er stopfte sich ein paar von den gerösteten Kichererbsen auf dem Dessertteller in den Mund und schaute auf die Uhr. Es war fast elf.
Er rief das Phantom auf seinem Mobiltelefon an.
»Wo bist du?«
»Ich kaufe gerade was für Zuhause ein.«
»Hör mal, in der Tasche des Mädchens haben wir doch Adressen gefunden. Laß sie dir von Sıtkı geben und guck dich mal bei denen um, die in der Nähe sind.«
»Da bin ich doch schon längst bei.«
»Hast du nicht gesagt, du kaufst was für Zuhause ein?«
»Ja, ich bin zwischendurch mal in den Laden gegangen.«
»Schön. Kommst du heut noch ins Büro?«
»Nein, ich geh nach Hause. Ich bin müde.«
»Ich wußte gar nicht, daß du auch schläfst.«
»Ab und an durchaus.«
Er legte auf. Solange man das Phantom nicht fragte, was er tat, sprach er nicht davon. Und meistens sagte er auch nichts, wenn man ihn fragte. Obwohl er für die Tagschicht eingeteilt war, wußte niemand so recht, wann genau er Dienst machte. Er hatte überall Bekannte. Selbst wenn er in ein beliebiges Sammeltaxi stieg, würde er zufällig jemanden treffen. Über ganz Ankara verteilt hatte er, in eigenen Worten, »eine Million Kumpels«, von denen die wenigsten wußten, daß er Polizist war.
Da sein Magen knurrte, ging er in die Küche, steckte ein Stück abgepackten Rohmilchkäse in einen Kanten Weißbrot und preßte die Deckel des Toastgrills aufeinander. Er schaute aus dem Fenster. Noch unter dem Eindruck seines Alptraumes, erwartete er beinahe, Sonnenstrahlen zu sehen. Doch das Tal von Dikmen lag unter Schnee. Er strich noch Butter auf das Brot in der Maschine, da klingelten gleichzeitig seine beiden Telefone. Er schaute auf das Mobiltelefon, es war sein Bruder Şevket. Also ging er zuerst an den Festnetzanschluß. Es war Eda.
»Ruf mich in zwei Minuten nochmal an.«
»Es ist wichtig.«
»Was ist los?«
»Wir haben den Typen von der Zeitschrift. Gökhan Biryol heißt er.«
»Wer ist das?«
»Der ominöse ausländische Freund von Betül, der für die gleiche Zeitschrift schreibt.«
»Bleib mal kurz
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