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Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur

Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur

Titel: Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emrah Serbes
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Pullover ausgezogen, wenn das nicht unhöflich gewesen wäre.
    »Und? Was sagst du?«
    »Wozu?«
    »Wo warst du denn gerade?«
    »Ich hab heute Bahar gesehen.«
    Der Kellner stellte die Kaffeetassen auf dem Tisch ab. Es entstand ein Schweigen, während dessen er sich fragte, warum er das jetzt erzählt hatte.
    »Welche Bahar?«
    »Vergiß es.«
    »Welche Bahar, Kleiner?«
    »Die von damals.«
    »Ach nee. Du Schwerenöter! Wenn du ein bißchen Verstand hättest, hättest du dir die geangelt statt diesem hysterischen Weib.«
    »Bruder, sprich bitte nicht so über die Mutter meines Kindes.«
    »Schon gut. Ist die nicht Lehrerin geworden?«
    »Sie hat aufgehört.«
    »Zu Recht. Beamtentum, das war mal. Aber Kleiner, sieh dich bloß vor. Das kann gefährlich werden.«
    »Was meinst du denn?«
    »Ihren Mann. Gehörnte Ochsen werden leicht wild.«
    »Ach, red doch nicht so’n Quatsch, Mann… Bruder!«
    Er schlug die Faust so stark auf den Tisch, daß die Tassen umhertanzten. Sämtliche Gäste an den Nebentischen schauten zu ihnen herüber. Şevket lächelte sie alle persönlich, einen nach dem anderen, an, bevor er entgegnete: »Etwas leiser hier, ja? Was hab ich denn Schlimmes gesagt?«
    Er nahm sich zusammen.
    »Tut mir leid. Aber sowas sagt man doch wirklich nicht. Außerdem ist sie geschieden.«
    »Echt? Na, was willst du mehr?«
    Wenn Behzat Ç nur wüßte, was er wollte; wenn er so gut gepolstert wäre wie Şevket, wenn er ebenfalls ein glückliches Familienleben mit seiner Frau, seinen beiden Kindern und seinen Seitensprüngen hätte. Wenn er sich in Zukunft Sorgen über Zinssätze und Wechselkurse machen und etwas zunehmen würde, so daß sein Adamsapfel auf- und abhüpfte beim Sprechen, dann würde vielleicht diese unerträgliche Spannung von ihm abfallen.
    Şevket nahm den ersten Schluck von seinem Mokka und sagte: »Jetzt sei nicht so dickköpfig. Laß uns das Haus verkaufen, bevor es zusammenfällt.«
    »Und wo soll Mutter dann leben?«
    »Ich sag ja nicht, daß wir die Erlöse verjubeln sollen. Wir kaufen natürlich ein neues.«
    Es war noch keine halbe Stunde vergangen, und schon waren sie erwartungsgemäß wieder bei diesem Thema gelandet. Beklommen rückte Behzat Ç den Kragen seines Pullovers zurecht.
    »Oberst Rahmet«, sagte Şevket in einem Tonfall, der signalisieren sollte, daß jetzt ein wenig Nostalgie angebracht war. »Gott sei seiner Seele gnädig. Nach außen hart, aber tief im Inneren weich wie Hefeteig. Er wollte immer, daß wir entweder Soldaten oder Ingenieure werden. Und was ist aus uns geworden? Ein Hotelier und ein Polizist. Du bist seinem Wunsch zumindest ein bißchen nähergekommen, aber nur wegen deiner Dickköpfigkeit. Wegen deiner Dickköpfigkeit…«
    Şevket schwieg. Beide dachten an das Gleiche, an etwas, das keiner von ihnen aussprechen wollte. Behzat Ç legte seine Serviette auf den Tisch und stand auf.
    Er fuhr den Dienstwagen in die Waschanlage. Während die rotierenden Bürsten sich herabsenkten, kontrollierte er noch einmal, ob alle Fenster geschlossen waren. Er klemmte sich hinters Lenkrad und stellte sich vor, den Wagen durch einen Wolkenbruch zu steuern. Als sich die Tür der Zeitschrift
Verzogen
zum zweiten Mal öffnete, hatten sie verblüfft voreinandergestanden und sich angeschaut, als versuchten sie, sich nicht wiederzuerkennen, obwohl sie genau wußten, daß sie sich kannten. Wenn man davon absah, daß sie sich vor rund zehn Jahren einmal auf der Straße begegnet waren, waren mittlerweile zwanzig Jahre vergangen. Bahar war aus dem Schuldienst ausgeschieden und Herausgeberin der Zeitschrift geworden. »Ich war schon immer ein verzogenes Gör«, hatte sie gesagt. Menschen ändern sich, und wie, aber dennoch bleibt an ihnen etwas Unveränderliches, wie eine Reminiszenz an alte Bekanntschaften. Die Grübchen, die Augen, die zwischen grün und braun changierten, und das unveränderte Gesicht, von dem immer noch die gleichen Flammen ausgingen, die einst jugendlicher Unsicherheit zu entspringen schienen.
    Als sie später in ihrem Büro ihren Tee umrührten, war sein Blick unweigerlich auf ihren Ringfinger gefallen.
Der ist zu eng geworden, deshalb hat sie ihn bei der Arbeit nicht auf
. Doch das Fragezeichen blieb nicht lange im Raum.
    »Ich hab sie zu Ertan geschickt.«
    »Wer ist das?«
    »Mein Ex-Mann. Er ist Anwalt.«
    Betül und Bahar hatten sich demnach gut verstanden. Über die Beziehung zwischen Herausgeberin und Autorin hinaus waren sie privat befreundet. Und als

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