Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur
sich.«
»Da hast du recht. Ich glaub auch, daß die Sache irgendwie mit Politik zu tun hat. Wir müssen mit allen Eventualitäten rechnen.«
Behzat Çs Telefon klingelte.
»Herr Hauptkommissar, mach doch bitte endlich einen anderen Klingelton.«
»Ich weiß doch nicht, wie man das macht.«
»Gib es mir, wenn du mit dem Gespräch fertig bist, ich mach das. Wer ist es denn?«
Er schaute nach der Nummer, er kannte sie nicht.
»Keine Ahnung.«
Es war der junge Staatsanwalt mit dem stacheligen Schnauzer.
»Ich rufe wegen der jungen Frau an, die sich das Leben genommen hat, Betül Gülsoy«, sagte er.
»Wir wollten Ihnen heute die erste Akte fertigmachen und rüberschicken. Wir brauchen eine Obduktionsanordnung.«
Der Staatsanwalt redete mehrere Minuten lang. Behzat Ç starrte nur auf den Schneematsch am Straßenrand und hörte schweigend zu. An einer Stelle verfinsterte sich sein Gesicht.
»Verstanden. Danke schön«, sagte er und legte auf.
Die beiden Beamten in ihrem Dienstwagen blickten sich einen Moment lang in die Augen.
»Was ist los?«, fragte Harun.
»Die Sache hat interne Dimensionen.«
9
Am Türschild stand nur Rechtsanwalt Ertan Cansun. Behzat Ç spürte wieder einmal, daß da irgend etwas war, das er inmitten der Rennerei vergessen hatte. Harun drückte die Klingel. Eine trotz überstarkem Make-up recht passable Sekretärin in einem weniger als knielangem Rock öffnete ihnen die Tür. Sie hätte sie sicher auch mit ihren Brüsten aufstoßen können.
»Bitte schön.«
»Wir hätten gern Herrn Cansun gesprochen.«
»Wen darf ich anmelden?«
»Polizei.«
»Mordkommission«, fügte Harun hinzu. Das tat er ab und an, wenn er sein Gegenüber beeindrucken wollte. Dem Blick nach zu urteilen, mit dem ihn die Sekretärin musterte, war es ihm gelungen.
»Folgen Sie mir bitte.«
Sie folgten ihr, wobei beide ihre Blicke unweigerlich auf die Schenkel richteten, die abwechselnd je einen Schritt in Richtung Wartezimmer taten. Sobald die Sekretärin sie angemeldet hatte, wurden sie hereingerufen. Herr Cansun stand auf und reichte ihnen die Hand.
»Kennen Sie eine Betül Gülsoy?«
»Ja. Ist etwas mit ihr?«
»Sie hat sich das Leben genommen.«
Ertans Gesicht verfinsterte sich, bevor er fassungslos ausrief: »Wann? Ist sie tot?«
»Ja. In der Nacht vom ersten auf den zweiten Januar.«
Ertan mußte sich setzen, um den Schock zu überwinden. Schweigend zündete er sich eine Zigarette an.
»Verzeihung«, sagte er dann und bot den Polizisten seine Marlboro Light an. Harun nahm keine und Behzat Ç bediente sich seiner eigenen.
»Dieses Laster habe ich mir noch nicht abgewöhnen können«, sagte Herr Cansun. Da Behzat Ç es haßte, wenn Raucher sich über das Rauchen beschwerten, kam er sofort zur Sache.
»Soviel ich weiß, hat Betül sich von Ihnen zu einem bestimmten Thema beraten lassen.«
»Woher wissen Sie das?«
»Das ist unsere Sache.«
Wie gern hätte er gesagt: Das hat mir deine Ex-Frau erzählt. Er konnte sich ohnehin kaum konzentrieren, mußte an seine Ex-Frau Ceyda, seine Ex-Freundin Bahar, den Ex-Mann seiner Ex-Freundin denken, alles Ex, und gutaussehend war dieser Ertan ja nun nicht, eher klein und untersetzt, wobei er anscheinend in den letzten Jahren zugenommen hatte; auf seinem jugendlichen Foto an der Wand sah er schlanker aus. Wenn Ertan sprach, traten die Adern an seinem Hals hervor, wie es bei ihm selbst der Fall war.
»Sie hat sich von mir beraten lassen. Vor rund zwei Monaten.«
»Worum ging es?«
»Ich weiß es nicht genau.«
»Wie meinen Sie das?«
»Das ist meine Sache.«
Ein Schweigen lag über dem Bürozimmer. Hinter Herrn Cansuns freundlichem Lächeln war der Gesichtsausdruck eines Mannes zu erkennen, der sich nur schwer würde knacken lassen.
»Es war kein Mandatsverhältnis im herkömmlichen Sinne. Frau Gülsoy hat mich um allgemeine Informationen gebeten. Ich helfe gerne bei derlei Fragen.«
»Das ist uns bekannt«, sagte Harun. »Daher übernehmen Sie die Verteidigung von Straftätern aus der illegalen Organisation, der Sie früher angehörten, nach wie vor unentgeltlich.«
»Das hat Sie nicht zu interessieren. Wenn Sie keine weiteren Fragen mehr haben…«
»Doch, haben wir, wenn Sie erlauben«, antwortete Behzat Ç. »Im Zusammenhang mit dem Selbstmord der Betül Gülsoy stehen verschiedene Verdachtsmomente im Raum. Aus diesem Grund hat uns alles, was sie angeht, dringend zu interessieren. Wir fragen uns natürlich, zu welchem Thema sie sich von Ihnen
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