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Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur

Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur

Titel: Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emrah Serbes
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›Dann werd doch gleich Fußballer in der ersten Amateurliga‹, hatte der Vater gesagt. ›So einen wie dich rettet auch der Polizeidienst nicht mehr. Du wirst niemals mehr als ein Hauptkommissar werden.‹ ›So einer wie du wird auch niemals mehr als ein schnöder Oberst‹, hatte er entgegnen wollen, sich aber zusammengerissen. Seine Mutter hatte furchtbar geweint und den Vater angefleht, er möge bei diesem oder jenem Paşa vorsprechen; wo der Junge doch so ein schlechtes Führungszeugnis bekommen habe, werde er sicher nicht einmal dann in die Polizeiakademie aufgenommen, wenn er die Prüfung schaffen sollte. Doch vergeblich. Oberst Rahmet sagte nur: ›Strafe muß sein. Das hätte er sich überlegen sollen, bevor er dem Kommandanten die Faust ins Gesicht schlug. Bittstellerei und Amigotum kommen für uns nicht in Frage.‹ Auch als die Mutter sagte, der Kommandant habe schließlich zuerst ihrem Sohn die Nase gebrochen, blieb Oberst Rahmet hart: ›Mit Fug und Recht. Ein Kommandant bricht nicht nur Nasenbeine, sondern auch Schädel, wenn es sein muß…‹ Da er letztendlich ohne Schwierigkeiten auf die Polizeiakademie durfte, hatte der Vater vielleicht doch insgeheim vorgesprochen, gar eine Verletzung seines Stolzes und guten Namens in Kauf nehmend für den Sohn; eine zärtliche Geste, die er als Geheimnis mit ins Grab nahm. Denn die Aufnahme seines Sohnes in die Akademie hatte Oberst Rahmet nicht mehr miterlebt. Şevket und er hatten den Leichnam ins ausgehobene Grab herabgelassen, an einem verschneiten Tag wie dem heutigen.
Möge seine Seele in Frieden ruhen, dich trifft keine Schuld, es war göttliche Vorsehung… Fick dich
, herrschte Behzat Ç seine innere Stimme an,
von wegen Vorsehung. Sprich nicht so, sonst trifft dich noch der Schlag
.
    »Haben Sie was gesagt?«
    »Hä?«
    »Ob Sie was gesagt haben«, wiederholte Eda.
    »Nein. Such doch mal das Büro von diesem Hoca.«
    An der Tür zu Vahap Sarıs Büro standen noch zwei weitere Namen. Sie klopften an und traten ein. Es war ein kleiner Raum, in den gerade mal drei Schreibtische paßten. Sein eigenes Büro bei der Kommission war mindestens doppelt so groß. Eine Frau Mitte zwanzig blickte von ihrem Bildschirm auf.
    »Ja bitte?«
    »Wir suchen Vahap Sarı.«
    »Der ist zu Tisch.«
    »Wann kommt er wieder?«
    »In einer guten Viertelstunde.«
    Die Frau klang genervt, vermutlich hatten sie sie bei ihrer Arbeit gestört. Sie verließen den Raum und gingen auf das Korridorfenster zu. Als Behzat Ç die Studenten mit Zigaretten in der Hand sah, zündete er sich eine 216 an und fragte: »Warum sind die denn bei der Kälte alle im Hof?«
    »Das sind Linke«, klärte ihn Eda auf. »Die hintere Mensa gehört jetzt den Rechten, und die Querulanten haben eine kleine Baracke im Mitteltrakt gebaut bekommen, da passen die aber nicht alle rein.«
    Behzat Ç blickte zum hinteren Teil des Hofes und machte eine riesige türkische Flagge aus, die vor dem Weg zum Eisenbahndamm aufgehängt war. Jetzt verstand er die geopolitische Anordnung der Universität. Der Hof im Zentrum des Hauptgebäudes war in zwei Hälften geteilt. Die Mitte und den Bereich links von der Mitte hatten die Linken für sich, während der hintere, rechte Hofteil den Rechten gehörte. Hier durfte sich kein Linker herwagen. Es schien, daß beide Seiten um ihre Grenzen wußten, alles sah nach Außen hin still und friedlich aus. Unterdessen war ein Kerl mit Augenbrauenpiercing an Behzat Ç herangetreten und verlangte Feuer.
Wie läuft der denn rum
, dachte er sich und steckte seine 216 in den Mundwinkel, um sein Feuerzeug aus der Tasche zu holen. Dann sah er eine befremdlich gekleidete, junge Frau mit knallblau gefärbten Haaren, die links von der Mitte herumstreunte.
    »Ist sowas auch eine Linke?«
    »Die hat bestimmt keine politische Meinung«, sagte Eda. »Aber weil sie sich so nicht auf die andere Seite wagen darf, läuft sie unter den Linken rum.«
    Ohne es überhaupt für nötig zu befinden, mit der Hand zu zeigen, fragte er: »Und wer sind die Spinner, die mitten im Schnee auf dem Boden liegen?«
    »Das sind Anarchisten. Laß dich von deren Rumgeliege nicht täuschen; wenn es zu Konflikten kommt, können die ganz schön fies werden.«
    »Woher weißt du denn das alles?«
    »Mein Cousin studiert hier, hab ich das nicht erzählt? Ich war schon öfter hier, und es ist eine winzige Uni, alle sind auf engstem Raum zusammengepfercht.«
    »Das sieht man«, sagte Behzat Ç. »Auf vierzig Quadratmetern hast

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