Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur
zu erkundigen. Der ältere Mann stellte kurz seine dynamische Frohnatur zur Schau, ohne länger zu stören.
»Hat sich Betül bei dem Anwalt denn nur über sexuelle Nötigung erkundigt?«
»Ja. Wieviel darauf steht, wie man eine Anzeige erstattet, welche konkreten Beweise man dem Gericht vorlegen kann, und so weiter.«
»Hat der Anwalt sie nicht gefragt, ob sie jemand belästigte?«
»Nein. Oder falls doch, wollte er es uns nicht sagen.«
»Vielleicht hat ja eine Freundin von ihr sowas erlebt.«
»Auch möglich.«
Der Heizpilz über dem Tisch verbreitete eine unerträgliche Hitze. Er mußte den obersten Knopf seines Hemdes lösen.
»Diesen Cansun müssen wir gut ausleuchten. Der hat bestimmt auch Verbindungen zu Gökhan. Falls es nicht sogar Gökhan war, der Betül von der Dachterrasse gestürzt hat und dann wieder nach England abgehauen ist. Ist es mittlerweile sicher, daß Gökhan mit einem falschen Paß in die Türkei eingereist ist?«
»Das sagt Metin.«
Behzat Ç dämpfte die Stimme.
»Metin ist nicht besonders vertrauenswürdig«, sagte er. »Ansonsten hätte er dir diese Info erst gar nicht gegeben. Was ich mich aber frage, wenn nach diesem Typen gefahndet wird, warum haben sie ihn dann nicht geschnappt?«
»Er ist ihnen entwischt.«
»Ach komm, das klingt doch absurd. Er ist ihnen entwischt, aber sie wissen genau, welchen Linienflug nach London er genommen hat.«
»Es ist nicht einmal sicher, daß er nach London geflogen ist. Das ist nur eine Vermutung.«
»Wann ist das ballistische Gutachten für die Waffe fertig? Hat Recep schon was sagen können?«
»Kein Datum. Aber er hat die Waffe erhalten.«
Er massierte seine Schläfen mit Kreisbewegungen seiner Zeigefinger. Obwohl er erschöpft war, hatte er gestern kaum schlafen können, sondern sich die ganze Nacht im Bett gewälzt.
»Was wollen wir eigentlich von dem Dozenten wissen«, fragte Eda beim Aufstehen. Beide schienen einen ähnlichen Verdacht zu haben, ohne ihn aussprechen zu wollen.
»Nichts Besonderes,« antwortete Behzat Ç. »Nur, wie es ihm so geht.«
10
Auf der Campuswiese vor der Geisteswissenschaftlichen Fakultät tummelten sich die Zivilbeamten.
Ach, einige von den Jungs hab ich ja schon ewig nicht mehr gesehen
, dachte er gerade, als er am Eingang zum Hauptgebäude Metin entdeckte.
»Was macht der denn hier?«, flüsterte er Eda zu.
»Vielleicht herrscht mal wieder angespannte Lage.«
Mit einem kalten Gruß gingen sie an Metin vorbei. Im Universitätsgebäude war alles friedlich. Durch die breiten und hohen Steinhallen hallten die Stimmen von Studenten, die auf dem Weg zur Mensa waren. Die Wände waren mit Plakaten überzogen. Er bat Eda um ein feuchtes Tuch und wischte sich vor einem Poster gegen die militärische Besatzung des Irak die Stiefel sauber. Er wollte nicht mit matschigen Schuhen einem Hochschullehrer gegenübertreten.
Unterdessen sprach Eda am Mobiltelefon und wandte sich an Behzat Ç: »Den Taxifahrermörder haben wir. Und das Phantom läßt fragen, ob wir Özcan in die Mangel nehmen wollen?«
»Wer is’n das?«
»Dieser Führungskader besagter Organisation.«
»Wenn es kein Aufsehen erregt, gerne. Betül war ohnehin nur eine Sympathisantin. Wir können ihm ein paar Fragen stellen, dann kann er wieder gehen.«
Beim Institut für Turkologie fragten sie nach dem Zimmer von Vahap Sarı. Es befand sich in der Mitte des langen Ganges. Edas Funkgerät piepste; ein paar Studenten schickten ihr abfällige Blicke.
»Schalt es aus«, riet ihr Behzat Ç. »Hat sich eigentlich etwas aus den Adressen in Betüls Tasche ergeben?«
»Nein. Es waren ohnehin nur zwei. Die eine von der Zeitschriftenredaktion und die andere ist eine tote Adresse. Eine leerstehende Wohnung in Ulus.«
Von einem Fenster aus konnte man den begrünten Innenhof des Hauptgebäudes überblicken. Eine Zeitlang beobachtete Behzat Ç die Studenten, die mit Büchern in der Hand durch den Hof gingen, trotz der Kälte auf Bänken herumsaßen oder sich gar Schneeballschlachten lieferten. Der Anblick erfüllte ihn mit ein wenig Sehnsucht nach so einem Studentenleben, und mit Neid, sobald er ihm seine eigene Zeit auf der Akademie gegenüberstellte.
Als er von der militärischen Oberschule geflogen und mit seinem Koffer in der Hand in Ankara eingetroffen war, hatte Oberst Rahmet sich reglos wie eine Statue vor ihm aufgebaut. Selbst als er ankündigte, die Aufnahmeprüfung für die Polizeiakademie ablegen zu wollen, erntete er nur ein Naserümpfen:
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