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Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur

Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur

Titel: Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emrah Serbes
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nachmittag hätt ich Zeit für einen Tee.«
    Es war deutlich, daß Recep nicht am Telefon reden wollte, daher schlug er vor: »Dann komm doch zum historischen Basar. Paßt dir vier Uhr?«
    »Paßt.«
    Er legte auf und warf die Vitamintabletten in die abgewetzte Schublade. Während er die Mandarine pellte, sah er Cevdet an seinem Zimmer vorbeigehen und fragte ihn: »Wo ist Aykut? Ihr habt alle Männer beisammen, nur er fehlt.«
    »Wir waren bei ihm zu Hause. Er war nicht da.«
    »Komm her.«
    Er drückte Cevdet eine Hälfte der Mandarine in die Hand und aß die andere, während er unter den losen Zetteln an der Pinnwand Aykuts Telefonnummer suchte.
    Der gewünschte Teilnehmer ist vorübergehend nicht erreichbar. Bitte versuchen Sie es

    Er hatte den Wagen hinter der Cebeci-Moschee abgestellt und war froh, zu Fuß durch Straßen laufen zu können, die ihm bekannt waren. Er schaute noch einmal auf die Adresse in seiner Hand. Seine Mutter lebte zwei Straßen weiter. Falls er Zeit finden würde, sollte er unbedingt vorbeischauen…
    Die Tür öffnete ihm ein junger Mann, den er noch nicht kannte.
    »Ist Yavuz nicht da?«
    »Worum geht es?«
    »Polizei.«
    Der Junge ließ die Tür einen Spalt offen und zischelte in die Wohnung wie ein Windstoß: »Yavuzz! Yavuzzzz!«
    Das erste, was ihm an Yavuz’ Gesicht auffiel, war die Schwellung rund um das linke Auge. Unter dem Auge prangte ein Bluterguß; es war ein richtig schönes blaues Auge. Yavuz schaute Behzat Ç an und versuchte ihn irgendwo einzuordnen, bis aus dem Funkgerät ein Rauschen kam, das sein Gegenüber in den richtigen Kontext stellte.
    »Ach, Sie sind das. Kommen Sie doch rein.«
    Sie traten ins Wohnzimmer. Eine Sitzgruppe aus nicht zueinander passenden Elementen, Berge von achtlos hingeworfener Kleidung und leere Bierflaschen, die als Aschenbecher dienten – eine typische Studentenwohnung.
    »Darf ich vorstellen? Mein Freund Ömer. Wir gehen auf die gleiche Uni.«
    »Auf welche?«
    »Verwaltungswissenschaften.«
    »Wie schön, dann habt ihr es nicht weit.«
    Unsicher, ob er sich in die Unterhaltung einbringen sollte oder nicht, sagte Ömer: »Wir haben auch lange gesucht, bis wir die Wohnung gefunden haben.«
    »Welches Fach studiert ihr?«
    »Ich stehe kurz vor dem Abschluß in Finanzwesen, mein Freund studiert Volkswirtschaft«, sagte Yavuz.
    »Ich bin eigentlich auch im letzten Semester, aber ich muß noch ein paar Pflichtseminare nachholen. Ich werde wohl verlängern müssen.«
    Es war offensichtlich, daß er der schlampigere der beiden war. Er verließ das Zimmer unter dem Vorwand, Tee aufzusetzen. Da Behzat Ç nicht wollte, daß das Gespräch wie eine Vernehmung verlief, hielt er es für angebracht, auch etwas aus seinem eigenen Leben zu erzählen.
    »Ich bin in diesem Viertel aufgewachsen«, sagte er. »Wir haben zwei Straßen weiter ein Haus.«
    »Ach so? Schön, dann sind wir ja Nachbarn.«
    »Nein, da lebt jetzt nur noch meine Mutter. Ich wohne in Dikmen. Warum hast du dich für Finanzwesen entschieden?«
    »Na ja, zunächst einmal, weil mein Vater das wollte. Für unsere Farm brauchen wir jemanden, der etwas von Geld und Steuern versteht.«
    »Wolltest du etwas anderes studieren?«
    »Nicht direkt. Ich hätte mir vielleicht ein Kunststudium vorstellen können, Malerei. Ich hab immer gern gezeichnet und kann das auch ganz gut, sagt man mir zumindest. Aber so ist das im Leben.«
    Behzat Ç war auf die Koffer aufmerksam geworden, die im kleinen Korridor standen. Yavuz registrierte es.
    »Ich bin gerade aus Urfa gekommen. Beerdigung und so.«
    »Verstehe. Was hast du mit deinem Auge gemacht?«
    »Ich bin hingefallen.«
    »Wo?«
    »Zu Hause. Also hier. In den letzten Tagen war so viel Streß, und ich hab auch was getrunken.«
    »Laß dich nicht gehen. Du mußt gerade jetzt dein Studium abschließen, wo Betül ihres nicht mehr abschließen kann. Du mußt zu einem Menschen werden, der seiner Familie und seiner Nation etwas zurückgibt. Wie habt ihr euch eigentlich verstanden? Es gibt ja Cousins, die sich kaum kennen, deshalb frage ich.«
    »Wir sind zusammen aufgewachsen. Haben viel Zeit miteinander verbracht und über alles geredet. Klar, als dann die Pubertät kam, ging das nicht mehr. Da hatten wir dann mehr Distanz. Bei uns in der Gegend darf man nicht so enge Kontakte zu Mädchen haben, auch wenn es die eigene Cousine ist, sonst gibt es Gerede. Gott sei Dank ist unsere Familie nicht so konservativ, wir haben einige Akademiker unter uns. Da konnten

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