Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur
wir uns immer noch unterhalten und über unsere Probleme austauschen. Wir sind ja auch nur ein Jahr auseinander. Sie ist direkt ein Jahr nach mir zum Studieren nach Ankara gekommen.«
»Wußtest du, daß Betül schwanger war?«
Yavuz riß die Augen auf. Eine Zeitlang starrte er verwirrt vor sich hin. Vielleicht war es die Trauer über einen Verwandten, den er verloren hatte, bevor er auf die Welt kam. Mit zugeschnürter Kehle brachte er ein »Nein« hervor. »Ich guck mal, ob der Tee schon so weit ist.«
»Bleib sitzen«, sagte Behzat Ç. »Das ist ein ernstes Thema, du mußt einen kühlen Kopf bewahren. Denk nochmal nach. Gab es jemanden, der Betül bedroht hat?«
»Ich weiß nicht, sie hat mir nichts davon gesagt.«
»Gab es in letzter Zeit jemanden, der dich bedroht hat?«
»Nein.«
»Schau her.«
Yavuz’ Augen waren auf den fleckigen Teppich gerichtet.
»Schau mir ins Gesicht. Lüg mich nicht an. Wer hat dein Auge blau geschlagen?«
»Niemand… Ich bin gefallen.«
Behzat Ç probierte es noch einmal in einer anderen Tonart. Mit herzlicher Strenge sagte er: »Du brauchst keine Angst zu haben. Sag mir einfach, wer euch bedroht. Wir schützen dich, so gut wir können. Die Leute haben deine Cousine umgebracht. Sei doch mal ein ganzer Mann! Du bist doch sicher nicht als Memme erzogen worden?«
»Wenn es so wäre, würde ich es sagen. Ich hab keinen Grund, etwas zu verheimlichen.«
»Hatte Betül eine Waffe?«
»Weiß ich nicht.«
»Eine Beretta vom Kaliber 22 mit einem geschnittenen Gewinde für einen Schalldämpfer.«
»Weiß ich nicht. Ich verstehe nichts von Waffen. Hab noch nie eine in der Hand gehabt.«
Ömer kam mit einem Tablett mit dampfenden Teegläsern ins Zimmer.
Behzat Ç stand auf.
»Ich muß weiter. Wir haben viel zu tun.«
Er fragte sich einen Augenblick, ob er es beim Rausgehen wie beiläufig sagen sollte, oder lieber jetzt sofort. Er verglich die Stiefel von der Größe eines Kindersarges, die im Eingangsbereich auf Zeitungspapier lagen, mit Yavuz’ Füßen. Nach Augenmaß konnte das durchaus hinkommen. Er legte Yavuz, der ihn zur Tür begleitete, die Hand auf die Schulter und sagte: »Hör mal, mein Junge. Denk gut nach. Ich komme wieder.«
Er parkte aus und fuhr über Dikimevi zum Postamt von Cebeci. Mit Hilfe der Adresse auf dem Zettel fand er die Straße, in der Muhsin Süvari wohnte. Sie gehörte im weitesten Sinne auch noch zur Nachbarschaft. Er überflog die Klingelschilder. Es war das richtige Haus, aber die Klingel für Wohnung Nummer 12, in der Muhsin Süvari wohnen sollte, war unbeschriftet. Er läutete beim Hausmeister Muharrem Kara. Keiner da. Nach einiger Zeit sah er einen Mann, der die Treppen vom Keller heraufkam. Er steckte seinen Kopf aus der Haustür und sagte: »Ja bitte?«
»Wohnt hier ein Herr Muhsin Süvari?«
»Ja.«
»Wo ist er jetzt?«
»Kann ich nicht sagen. Er war seit einer Woche nicht hier.«
»Wann hast du ihn zuletzt gesehen?«
»Am Neujahrstag. Sind Sie von der Polizei, mein Herr?«
»Woran hast du das erkannt?«
Der Mann öffnete die Tür ganz und ließ Behzat Ç eintreten: »Ich bin jetzt seit zwanzig Jahren Hausmeister. Ich sehe sowas. Entschuldigen Sie bitte, aber wir machen nicht sofort die Tür auf. Da könnte ja jeder Dieb und Hausierer hier reinkommen. Wenn Sie Muhsin suchen, ich kann Ihnen nicht genau sagen, ob er straffällig geworden ist oder nicht. Er ist ein sehr netter, junger Mann, grüßt immer freundlich. Er hat netterweise unseren Sohn ins Krankenhaus gefahren, als er am Blinddarm operiert werden mußte.«
»Hat er ein Auto?«
»Nein, das Auto gehörte nicht ihm, sondern seinem politischen Verein.«
»Was für ein Verein ist das?«
»Das weiß ich nicht. Da waren aber ganz auffällige Schriftstücke drin, ich meine Plakate, und dazu Eimer und Pinsel; das mußten wir alles in den Kofferraum packen, damit wir Platz hatten. Da wurde mir alles klar.«
»Was denn?«
»Na ja, daß da was faul war. Ich bin zwar nur Hausmeister, aber auf den Kopf gefallen bin ich auch nicht. Ich hab die Mittelschule fast abgeschlossen. Aber er war ja ein ganz netter Mensch, immer ordentlich und zuvorkommend, wie ein Anarchist hat der sich nicht verhalten.«
»Hast du den Schlüssel zu seiner Wohnung?«
»Der Hausverwalter hat einen.«
Sie stiegen in den Fahrstuhl und fuhren in den fünften Stock, wo der Hausverwalter wohnte. Behzat Ç war der Mann unsympathisch, so daß er auf dessen Vorschlag, zusammen in die Wohnung zu gehen, nicht
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