Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur
Lohnerhöhung von fünfzig Lira hab ich bekommen. Da hab ich auf die Versicherung verzichtet. Gerade heutzutage kommt es ja auf jede Lira an. Ich hab doch eine gute Stellung, nicht wahr, die können mich nicht so einfach entlassen. Alle Hausmeister in diesem Viertel kommen aus der gleichen Gegend wie ich. Die sind meine Versicherung. Die helfen mir, wenn ich mal zum Arzt muß.«
»Hat sich in der letzten Woche jemand nach ihm erkundigt?«
»Letztens war schon mal jemand da, auch in Zivil. Denen hab ich das gleiche gesagt. Ich soll ihnen Bescheid sagen, wenn er kommt. Sie haben mir ihre Nummer dagelassen. Also, ich weiß ja nicht, ob er irgendwelche krumme Dinger gedreht hat. Vielleicht ist es ja auch wegen einer Frau. Uns hat er nie schlecht behandelt, zu unserer ganzen Familie war er freundlich. Aber natürlich kommt für uns der Staat an erster Stelle. Dem Staat darf man sich nicht widersetzen. Das ist das erste. Man darf sich auch nicht überall einmischen, das ist das zweite. Und man darf nicht den Ast absägen, auf dem man sitzt. Das ist das dritte. Das hab ich auch dem Muhsin immer erklärt, nicht? Aber er ist ein gebildeter Mann, dem darf ich ja keine Vorschriften machen.«
Der historische Basar war kaum besucht, aber in einer Stunde, nach Feierabend, würde er voller Menschen sein.
»Es reicht! Ich will nichts mehr mit der Sache zu tun haben!«
»Na gut«, sagte Behzat Ç »Dann erzähl mir mal, wieviel du bisher damit zu tun hattest.«
Unter dem zu stark brennenden Heizpilz zerrte er am Pulloverkragen. Schweigend rührte er in seinem Tee, um seinem Gegenüber zu signalisieren, daß er an der Reihe war.
»Die Waffe haben wir untersucht«, sagte Recep mit einem vorsichtigen Seitenblick zu den wenigen besetzten Nebentischen.
»Und?«
»Aber das Gutachten haben wir nicht geschrieben. Das wurde uns aus der Hand genommen. Warum, weiß ich nicht. Dieser Waffentyp, das weißt du sicher auch, wurde manchmal auch vom Dienst benutzt. Zuerst hatte ich den Verdacht, die Waffe könnte unserem Dienst gehören. Aber dann hätte sie ja eine Registernummer haben müssen.«
»Es gibt auch Waffen, die nicht registriert sind.«
»Wenn sie unregistriert wäre, hätten wir sie gar nicht erst auf den Tisch bekommen.«
»Wem gehört diese Waffe?«
»Der Organisation.«
»Was?«
»Schrei doch nicht. Leise. Es ist die Waffe der Organisation, in die dieses Mädchen verstrickt war. Aber das hast du alles nicht von mir. Ich würde das niemals bezeugen. Jedenfalls wurde sie zuerst bei einem Überfall auf einen Juwelierladen benutzt. Vor fünf Jahren wurde sie bei einem Schußwechsel in Bahçelievler eingesetzt. Der Schütze konnte von der Polizei nicht gefaßt werden. Er hatte einem der Beamten, die die Razzia durchführten, ins Bein geschossen. Die Kugel, die man aus dem Bein des Polizisten holte, stammte aus dieser Waffe. Daran besteht kein Zweifel.«
»Und der Schalldämpfer?«
»Welcher Schalldämpfer?«
»Der auf die Waffe montiert war.«
»Den haben wir nie gesehen.«
»Wie meinst du das? Natürlich habt ihr den gesehen. Ich hab ihn doch als Beweisstück aufgenommen und an euch geschickt.«
»Häng dich da nicht rein! Ich sag’s dir im guten. Sie haben ihn uns weggenommen. Und jetzt stell mir bitte keine weiteren Fragen.«
Recep stand auf und wollte Geld auf den Tisch legen.
»Ich mach das schon, steck dein Geld wieder ein«, sagte Behzat Ç.
»Ich bin schon wegen dieser Kladdenseite in Teufels Küche geraten, das reicht mir erstmal«, sagte Recep. »Ich sitz auf heißen Kohlen. Ich erwarte jeden Moment ein Disziplinarverfahren. Also, mach’s gut…«
»Warte mal! Wer war der Polizist, der angeschossen wurde? Und wer war der flüchtige Schütze? Um welche Schießerei geht es?«
Recep wollte so schnell wie möglich los.
»Da verbrennst du dir nur die Finger. Kümmer dich nicht weiter darum«, erwiderte er. »Die machen alles am hellichten Tage, siehst du doch, die schreiben einfach ein ballistisches Gutachten, aber keiner der Gutachter ist ein Ballistiker. Die nehmen uns auf die Schippe. Das sind Dinge, mit denen ein frischgebackener Staatsanwalt und zwei durchgeknallte Polizisten nicht fertig werden. Mach dich nicht dümmer als du bist und spiel nicht den Don-Quichotte. Diese Leute sind der Staat. Wer sind wir schon gegen die?«
22
Der Schlüssel drehte sich zweimal im Schloß. Übelkeit, Kopfschmerzen, Erschöpfung und Fieber, das von 37,5 °C auf 38 °C angestiegen war… Soviel zum
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