Bei Anbruch des Tages
Fensterbänke der Villa im Erdgeschoss geklettert und hatten durch die verstaubten Scheiben die Damasttapeten, Rokokosofas, Intarsienmöbel und Deckenfresken bestaunt.
»Der Palazzo ist nach wie vor wunderschön«, sagte Amilcare.
»Der letzte von vielen Landsitzen meiner Familie. Also, was sagen Sie?«
»Ich muss darüber nachdenken. Dank meines Schwiegervaters habe ich ein Haus. AuÃerdem würde ich Ihren Palazzo nie kaufen, um selbst darin zu wohnen. Meine Mitbürger würden mich aus lachen, und das zu Recht: Die Cantonis sind Bauern, die Industrielle geworden sind. Der Palazzo Olgiati gehört zu den Adelskreisen, zu denen wir nicht zählen. Hören Sie, ich will es nicht unnötig kompliziert machen, ich überlege nur laut. Geben Sie mir einfach ein paar Tage Bedenkzeit.«
»Natürlich! Es ist nur so, dass meine Tochter Celina nächsten Monat heiraten wird. Ich brauche also Geld, über das ich gleich verfügen kann. Zum Glück heiratet sie in eine Familie ein, die einige Ländereien besitzt, und mein zukünftiger Schwiegersohn hat einen wichtigen Posten bei einer amerikanischen Bank. Direkt nach der Hochzeit wird meine Celina nach New York ziehen.«
»Da kann man der Contessina ja nur gratulieren«, sagte Amilcare.
Noch am selben Nachmittag sprach er mit seinem Sohn Renzo über den Palazzo Olgiati, der sich direkt am Kirchplatz befand.
Amilcare hatte das Büro seines Schwiegervaters übernommen, das, in dem er Bianca schätzen und lieben gelernt hatte. Wenn er das Zimmer betrat und auf dem Sessel Platz nahm, der vorher Commendator Crippa gehört hatte, stellte er sich manchmal vor, wie sie mit ihrem Skizzenblock dort saÃ, um neue Armaturen zu entwerfen oder Porträts von Mitarbeitern zu zeichnen. Es war nicht immer leicht mit ihr, dennoch war sie sein groÃes Glück. Sie hatte ihm zwei wunderbare Kinder geschenkt, auch wenn sie vielleicht etwas frech und verwöhnt waren. Gioacchino, der immer am schwierigsten zu bändigen gewesen war, hatte sich dazu entschieden, Priester zu werden, und wurde inzwischen von seiner Gemeinde sehr geschätzt. Der nachdenkliche, willensstarke Renzo war ihm, seinem Vater, wohl am ähnlichsten. Er war stets ein vorbildlicher Schüler gewesen, hatte Ingenieurswissenschaften studiert und ging ihm jetzt ebenso bescheiden wie intelligent in der Firma zur Hand.
Als er ihm von dem Treffen mit dem Conte berichtete, saà ihm Renzo direkt gegenüber.
»Celina wird also tatsächlich heiraten?«, fragte er seinen Vater.
»Einen Banker, soweit ich das verstanden habe.«
»Wir begegnen uns oft, vor allem im Sommer in Saint-Tropez. Ein paar Mal habe ich sie auch in Gstaad getroffen, wo sie zum Skifahren hinfährt. Unter den jungen Frauen aus ihren Kreisen, die ein ziemlich lockeres Liebesleben führen, wirkt sie immer sehr zurückhaltend.« Renzo kannte Celina im Grunde von Kindesbeinen an, nicht zuletzt weil der Conte Olgiati und seine Frau, die Prinzessin, oft bei ihnen zum Essen gewesen waren und ihre beiden Kinder mitgebracht hatten.
Die Einladungen von Amilcare Cantoni dienten stets geschäftlichen Zwecken. Sobald der Kaffee serviert wurde, zogen sich die Herren in die Bibliothek zurück, wo der Graf dem Industriellen Gemälde oder Einrichtungsgegenstände zum Kauf anbot. Mehrere kostbare Bilder, die jetzt die Zimmer der Villa Cantoni schmückten, stammten ursprünglich aus den Palazzi der Olgiatis. Einmal hatte Amilcare den Grafen gefragt: »Tut es Ihnen nicht leid, dass Sie sich von so vielen schönen Bildern trennen müssen?«
Doch dieser hatte geantwortet: »Mein lieber Cantoni, wissen Sie, was uns beide unterscheidet? Dass Sie sich meine Bilder leisten können. Aber sosehr ich Sie auch schätze, Sie sind kein Kunstkenner. Ich dagegen verstehe eine Menge von diesen Dingen, deshalb investiere ich lieber in Werke, die jetzt noch günstig zu erwerben sind, aber in fünfzig Jahren sehr viel wert sein werden. Sie kaufen Sachwerte und ich Ideen. Jeder, der genügend Geld hat, kann sich einen Renoir, einen Cézanne, einen Chagall oder einen van Gogh an die Wand hängen. Aber ein guter Sammler ist der, der begreift, dass sich die Kunst weiterentwickelt und dass ein Capogrossi, ein Fontana oder ein Miró eines Tages sehr viel wert sein werden. Ich möchte Sie nicht beleidigen, sondern Ihnen nur erklären, dass â¦Â«
»Ich habe
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