Bei Anbruch des Tages
»Ich habe den Palazzo Olgiati besichtigt. Er verfällt immer mehr, und das ist schade, denn er ist fantastisch«, teilte er ihm mit.
»Meinst du, man könnte eine schöne Seniorenresidenz daraus machen, ohne ihn zu entstellen?«, fragte Amilcare.
»Bestimmt! Es ist wirklich bewundernswert, dass du Villanova ein Altersheim schenken willst, das deinen Namen trägt«, sagte Renzo.
»Da irrst du dich! Die Cantonis spielen sich nicht in den Vordergrund. Er wird weiterhin den Namen tragen, der ihm gebührt, nämlich den der Olgiati Tremonti«, verkündete sein Vater.
Einige Tage später, als sie gerade beim Frühstück saÃen und Zeitung lasen, entdeckten sie eine Meldung, die sie betroffen machte: »GroÃe Trauer in der Finanzwelt: Bei einem schlimmen Autounfall kam Filippo Aldrovandi, der junge, vielversprechende Manager einer bedeutenden amerikanischen Bank, ums Leben. Der Finanzier stand kurz davor, die Contessina Celina Olgiati Tremonti zu heiraten.«
Amilcare Cantoni sagte daraufhin: »Conte Alberto braucht das Geld für die Hochzeit seiner Tochter nun nicht mehr. Er wird beschlieÃen, den Palazzo doch nicht zu verkaufen.«
Renzo nahm sich vor, ein paar Tage verstreichen zu lassen und Celina anschlieÃend zu besuchen.
3
A ls Amilcare gegenüber seiner Frau den plötzlichen Tod von Celinas Verlobtem erwähnte, fragte er sie: »Was tut man in so einem Fall? Soll ich anrufen oder eine Kondolenzkarte schicken?«
»Wir haben den jungen Mann nicht gekannt, und er hatte die Tochter des Grafen noch nicht geheiratet. Deshalb tun wir erst einmal gar nichts. In Kürze werde ich den Olgiatis ein paar Zeilen schreiben und sie wissen lassen, dass es uns leidtut«, erwiderte Bianca.
»Mir tut es nicht leid«, rutschte es Renzo heraus.
»Warum?«, fragte sein Vater.
Renzo beugte sich über seinen Teller und stammelte etwas Unverständliches.
»Weil er sich in Celina verguckt hat«, sagte seine Mutter sofort.
»Wirklich?«, fragte der Vater erstaunt.
Trotz seiner dreiÃig Jahre errötete Renzo wie ein kleiner Junge, den man bei einem Streich ertappt hat. Aber er fing sich gleich wie der, warf seiner Mutter einen vorwurfsvollen Blick zu und meinte: »Wie kommst du denn auf die Idee?«
»Ich sage nur, was ich denke. Aber wie dem auch sei, du wirst bei ihr nie eine Chance haben, weil du kein Adeliger bist«, verkündete Bianca.
»Ihr habt wirklich Nerven, so über den Tod eines jungen Mannes und den Schmerz seiner Verlobten zu sprechen!«, empörte sich Amilcare.
»Ich halte das hier nicht länger aus. Weder dein Gutmenschentum noch deinen Zynismus!«, murmelte Renzo und wies erst auf seinen Vater und dann auf seine Mutter. Dann warf er die Serviette auf den Tisch und ging, wobei er sein Essen einfach stehen lieÃ.
Er stieg in seinen Porsche und fuhr nach Mailand. In seinem dortigen Stammlokal würde er sich sicher ein wenig ablenken können.
Aber auch dort waren der Tod des jungen Aldrovandi und die »verwitwete« Braut Celina Olgiati Tremonti Thema.
Wer den jungen Finanzier kannte, erzählte nicht nur Gutes von ihm. Auch Celina und ihre Familie wurden nicht verschont.
»Die junge Olgiati Tremonte ist auch nicht ohne. Ich habe einmal gesehen, wie sie ihrem Vater und ihrem Bruder eine unglaubliche Szene gemacht hat, nur weil sie es gewagt haben, sie zu kritisieren«, erzählte eine junge Frau.
»Jetzt werden die Olgiatis ihre Hoffnung auf eine gute Partie für ihre Tochter begraben müssen«, bemerkte ein anderer.
Und da Renzo so auffällig schweigsam war, fragte ihn eine Freundin: »Und du sagst gar nichts dazu?«
»Das geht mich nichts an. AuÃerdem hasse ich Klatsch«, verkündete er in der Hoffnung, das Thema auf diese Weise beenden zu können.
Renzo lieà ein paar Tage verstreichen und rief dann bei den Olgiatis an. Celina ging ans Telefon.
»Ich habe mich noch gar nicht für den schönen Flieder bedankt«, sagte sie und befreite ihn so aus der Verlegenheit, das Gespräch beginnen zu müssen.
»Wie geht es dir?«, fragte er.
»Hast du Lust, mich zu besuchen?«, lud sie ihn ein.
»Ich bin im Corso Venezia . Wenn du willst â¦Â«
Sie wartete gar nicht erst ab, bis er den Satz beendet hatte.
»Dann komm! Wir erwarten dich!«
Ein untadeliger Butler begrüÃte Renzo, der ihn ins Arbeitszimmer geleitete, wo ihn
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