Bei Anbruch des Tages
der neue Besitzer sie benutzt. Wetten, du rätst nicht, wofür sie eigentlich vorgesehen war?«, fragte sie provozierend.
»Als Bidet?«, schlug Renzo vor.
»Genau, Napoleons Bidet!«, bestätigte Celina und sagte dann: »Irgendwann war einer Contessa Olgiati dieses Bidet derart zuwider, dass die Wanne nur noch als Blumengefäà benutzt wurde. Vor zweihundert Jahren haben Adel und Bauern noch nicht viel von Körperhygiene gehalten.«
Sie beendeten den Rundgang durch den Palazzo in der Küche, die auf den Garten hinausging. Von einer Kommode nahm Celina zwei wunderschöne Kristallgläser, drehte einen Wasserhahn auf und füllte sie mit Wasser.
»Ich habe Durst. Möchtest du auch etwas trinken?«, fragte sie und reichte Renzo eines der Gläser.
Der junge Mann betrachtete die Armatur, die an eine Skulptur erinnerte. Sie bestand aus einem Kupferrohr, dessen Ende wie ein Widderkopf geformt war, aus dessen Maul das Wasser schoss. Das Kupfer war durch die Feuchtigkeit angelaufen, aber wunderschön.
»Kann man dieses Wasser trinken?«, fragte Renzo.
»Mein Vater sagt, es sei das beste Wasser im Dorf, besser noch als Mineralwasser«, versicherte ihm Celina. Sie setzten sich an einen Tisch und nippten an dem Wasser, als wäre es ein besonders edles Getränk.
»Dein Vater möchte also tatsächlich diesen heruntergekommenen Palazzo kaufen?«, fragte die junge Frau.
»Ich denke schon.«
»Wirst du hier leben, wenn du einmal verheiratet bist?«
»Kannst du dir vorstellen, dass ein Cantoni in einen Palazzo Olgiati Tremonti einzieht?«
»Wieso denn nicht?«
»Kommt gar nicht infrage! AuÃerdem habe ich noch lange nicht vor zu heiraten«, verkündete er.
Celina musterte ihn so durchdringend, dass er sich unwohl fühlte.
»In gewissen Kreisen wird über deine Flirts geredet.«
»Das ist nur Gerede«, wiegelte er ab und dachte an sein gerade zurückliegendes Abenteuer mit einer Schauspielerin zurück, die eher attraktiv war als talentiert.
»Ich heirate in weniger als einem Monat«, verkündete Celina.
»Warum?«, fragte Renzo.
»Wie warum?«, fragte Celina.
»Warum erzählst du mir das?«
»Weil ⦠keine Ahnung. Gibt es einen Grund, es dir nicht zu erzählen?«
»Ich wusste es bereits. Du bist fünfundzwanzig, da ist es normal, dass du heiratest, vor allem, da du offenbar den perfekten Mann dazu gefunden hast: genau wie du aus altem Adel stammend, mit einer groÃartigen beruflichen Karriere. Herzlichen Glückwunsch!«, sagte Renzo monoton und erhob sich abrupt, um zu gehen.
»Habe ich dir irgendwas getan? Wir sind seit zwei Stunden zusammen, unterhalten uns bestens, und dann bist du auf einmal so gereizt und willst gehen«, wunderte sich Celina laut und folgte ihm aus der Küche.
»Entschuldige, Celina. Mir ist eingefallen, dass ich noch einen Termin habe, mir war gar nicht klar, dass es schon so spät ist«, erwiderte er, als sie bereits auf der Piazza standen. »Ich muss wirklich los«, verabschiedete er sich hastig und lieà sie sprachlos stehen.
Er stieg in sein Auto und sauste mit quietschenden Reifen davon. Erst, als er das Dorf hinter sich gelassen und die Armaturenfabrik fast erreicht hatte, merkte er, dass er sich unmöglich benommen hatte. Warum nur? Er musste sich eingestehen, dass er heftige Eifersucht empfunden hatte. Genau wie in dem Moment, als sein Vater ihm von Celinas Hochzeit erzählt hatte.
Er parkte den Wagen im Innenhof der Fabrik und flüsterte erschüttert: »Ich bin in Celina verliebt und merke es erst jetzt.«
Statt ins Büro zu gehen, wo sein Vater bereits auf ihn wartete, lieà er erneut den Motor an und sauste nach Mailand. Er betrat einen Blumenladen in der Innenstadt, entschied sich für einen groÃen Strauà duftenden weiÃen Flieders und legte eine Karte dazu. Darauf schrieb er:
Liebe Celina, bitte entschuldige meinen überstürzten Aufbruch. Es war nett von dir, mir den Palazzo von Villanova zu zeigen. Ich freue mich für dich, dass du heiratest, und wünsche dir, dass du glücklich wirst.
Auf den Umschlag schrieb er den Namen der jungen Frau und ihre Mailänder Adresse. Er bat die Verkäuferin, die Blumen möglichst schnell zuzustellen. Danach war er wieder ruhiger und kehrte nach Villanova zurück.
Als er kurz darauf seinen Vater traf, war er wieder völlig gefasst.
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