Bei Anbruch des Tages
kostbare Kästchen, das einen Anhänger enthielt, einen mit Rubinen besetzten Apfel â den gleichen wie der, den ihr Roger geschenkt hatte, nur etwas gröÃer.
»Ich habe dein Bettelarmband auf dem Nachttisch gesehen, und da ist mir der winzige Apfel von Tiffany aufgefallen. Er ist wunderschön. Da ist mir der Gedanke gekommen, dir eine gröÃere Version davon zu schenken, damit du ihn um den Hals tragen kannst«, erklärte er.
Der Anhänger hing an einer goldenen Kette, die von Smaragd- und Rubinperlen unterbrochen wurde.
»Danke, mein Schatz. Das ist ein wertvolles Geschenk, und es gefällt mir sehr«, sagte Léonie, während ihr Mann es ihr umlegte.
Dabei wartete sie auf die Frage, woher sie den Armbandanhänger habe. Doch Guido fragte nicht â entweder aus Diskretion oder weil er es lieber nicht wissen wollte?
Sollte sein Geschenk ein Hinweis sein? Oder hatte er ihr tatsächlich nur eine Freude machen wollen? In diesem Moment war sie der typischen Verstocktheit der Familie Cantoni dankbar, weil sie so nicht gezwungen war zu lügen. Sie küsste Guido flüchtig und flüsterte: »Deine groÃzügige Geste rührt mich sehr.«
Da fasste Guido sie an der Taille und sagte: »Ich möchte dich nur darauf aufmerksam machen, dass wir uns wegen der Windpocken schon lange nicht mehr geliebt haben.«
»Muss ich davon ausgehen, dass dein Geschenk mit Hintergedanken verbunden ist?«, scherzte sie.
»Denk, was du willst, Hauptsache, du kommst mit!«, erwiderte er und zog sie in Richtung Schlafzimmer.
Im Februar ging Léonie wieder regelmäÃig zur Arbeit in die Firma.
Sie hatte damit begonnen, die antiken Armaturen, die sie im Keller gefunden hatte, zu sammeln, zu säubern und zu katalogisieren. Sie suchte die Altwarenhändler in den umliegenden Dörfern auf, um dort nach weiteren alten Armaturen zu suchen. Das hatte sich inzwischen herumgesprochen, und wenn die Händler auf alte Wasserhähne stieÃen, gaben sie ihr sofort Bescheid â wohl wissend, dass Léonie gutes Geld dafür zahlte. Die Idee eines Arma turenmuseums nahm immer konkretere Formen an. Ihr Schwiegervater war von dem Gedanken sofort begeistert gewesen, beinah noch mehr als sie selbst. Zu Weihnachten hatte er ihr einige kostbare Folianten mit Zeichnungen von Armaturen aus dem sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert geschenkt.
Im darauffolgenden Sommer war sie erneut schwanger. Das zweite, im Mai gezeugte Kind sollte im Januar zur Welt kommen. Am zweiundzwanzigsten Dezember â sie war gerade im achten Monat schwanger â brach sie nach Varenna auf.
Sie fuhr langsam und vorsichtig und versuchte sich vorzustellen, wie Roger auf ihren dicken Bauch reagieren würde. Vorausgesetzt, er war überhaupt in Varenna und wartete dort auf sie.
Sie merkte, wie aufregend die Ungewissheit ihrer Treffen war. Das gehörte einfach dazu, hielt ihre Beziehung lebendig.
Als die Hotelbesitzerin sah, wie sie die Lobby betrat, fiel ihr Blick sofort auf Léonies riesigen Bauch, und sie fragte ebenso höflich wie professionell: »Wann ist es denn so weit, wenn ich fragen darf?«
»In einem Monat. Mir wäre es allerdings lieber, es käme sofort, weil ich mich kaum noch bewegen kann«, erwiderte Léonie lächelnd.
»Ich gratuliere, Signora! Hier ist der Zimmerschlüssel. Der Dottore hat gebeten, dass ich das Frühstück bringen lassen soll, sobald Sie eingetroffen sind.«
Léonie ging die Treppe hinauf, und als sie die Tür zu der kleinen Suite öffnete, sah sie, dass Roger im Sessel saà und in einer Zeitschrift blätterte.
Er schaute auf, musterte sie strahlend und brach in lautes Gelächter aus.
» Oh, mon dieu! Du wirst doch hoffentlich nicht hier entbinden wollen!«, rief er und ging ihr entgegen, um sie zu umarmen.
4
J unge oder Mädchen?«, fragte Roger.
»Mein Mann und der Rest der Familie wissen Bescheid, aber ich möchte mich lieber überraschen lassen. Wie dem auch sei, ihm oder ihr geht es ausgezeichnet. Du ahnst ja gar nicht, wie gut es mir geht, wenn ich schwanger bin!«, sagte sie und nahm an dem Tischchen Platz, auf dem das Frühstückstablett stand.
»Deine Schönheit raubt mir jedes Mal wieder den Atem«, flüsterte er bewundernd und setzte sich zu ihr. Seine Augen strahlten.
»Wenn du das sagst, muss ich dir wohl glauben. Trotzdem fühle ich mich wie ein Walfisch. Nur
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