Bei Anbruch des Tages
fragte Bianca nun streng. Dann fügte sie hinzu: »Weià Renzo, dass Guido nicht sein Sohn ist?«
Celina errötete und sagte: »Er hat beschlossen, mich zu heiraten, nachdem ich ihm gestanden habe, dass ich ein Kind von Filippo Aldrovandi erwarte. Er ist der Einzige, dem ich mich anvertraut habe.«
»Das erklärt alles: die überstürzte Heirat ⦠Guidos Vater ist also der Verlobte, der viel zu früh ums Leben gekommen ist«, murmelte Bianca. Dann ging sie zu Celina und küsste sie auf die Stirn. »Manchmal ist die Natur umsichtig. Meine Krankheit hat meine Kinder übergangen, doch sie könnte an meine Enkel weitervererbt werden. Gioacchino hat das Keuschheitsgelübde abgelegt, und vielleicht ist es nur gut, wenn Renzo wirklich unfruchtbar ist! Er liebt Guido sehr. Gebt euch mit einem gesunden Sohn zufrieden. Ihr liebt euch, und ihr werdet auch dieses Problem lösen.«
Gerührt hatte Celina sie umarmt.
»Mach dir keine Sorgen, ich habe euer Geheimnis schon wieder vergessen«, hatte ihr Bianca noch zugeflüstert und sie fest an sich gedrückt.
Varenna
1
L éonie erreichte Varenna, als dunkle, bedrohliche Wolken denHimmel bedeckten. Sie war früh aufgebrochen, um so lange wie möglich mit Roger zusammen sein zu können â vorausgesetzt, er war überhaupt gekommen. Guido war zu Dreharbeiten in Sizilien und wollte erst kurz vor Heiligabend zurückkehren.
Als die Besitzerin des Hôtel du Lac sie in die Lobby treten sah, erkannte sie Léonie sofort und sagte: »Dottor Bastiani ist gestern eingetroffen. Wahrscheinlich schläft er noch, da er noch nicht gefrühstückt hat.«
»Ich würde gern zu ihm hinaufgehen«, sagte Léonie.
»Ich gebe Ihnen den Zweitschlüssel, dann müssen Sie ihn nicht wecken«, schlug die Frau vor.
Mit klopfendem Herzen ging Léonie die Treppe hoch, zögerte kurz vor der Tür zur Suite und öffnete sie dann entschieden mit dem Schlüssel. Kaum hatte sie den Salon betreten, nahm sie das Rauschen der Dusche und den Duft von Rogers Aftershave wahr. Sie erstarrte, weil ihr klar wurde, dass sie gerade in die Privatsphäre eines Fremden eingedrungen war.
Was tat sie hier eigentlich? Sie wollte schon wieder gehen, als Roger, in einen Frotteebademantel gehüllt, den Raum betrat. Er lächelte sie erfreut an, kam zu ihr und umarmte sie.
»Auch dieses Jahr bist du zu mir gekommen!«, flüsterte er.
Léonie löste sich vorsichtig aus seiner Umarmung und sagte verlegen: »Ich hätte nicht unangekündigt hier hereinkommen dürfen. Keine Ahnung, was da in mich gefahren ist. Ich habe dich regelrecht überfallen. Bitte entschuldige, ich gehe und warte unten auf dich.«
Roger reagierte nicht darauf. Stattdessen öffnete er den ReiÃverschluss von Léonies Daunenjacke. »Zieh das aus, sonst kommst du noch um vor Hitze!«
Er half ihr aus der dicken Jacke, unter der sie ein blaues Samtjackett trug, eine glänzende salbeigrüne Seidenbluse und einen Rock in der gleichen Farbe, die ihren goldbraunen Teint betonte.
»Mon petit amour« , flüsterte er und zog sie an sich. Dann beugte er sich zu Léonie herab, und ihre Lippen berührten sich sanft.
»Als du so plötzlich vor mir standst, dachte ich schon, du wärest meiner Einbildung entsprungen. Ich sehne mich schon seit Tagen nach dir«, gestand er.
»Ich habe mich auch nach dir gesehnt.«
Es klopfte.
»Das wird das Frühstück sein«, sagte Roger. »Ich habe es vorhin bestellt.«
Léonie hörte, wie er mit dem Zimmermädchen sprach, dann kehrte er mit einem Tablett zurück, von dem ein verlockender Duft nach Kaffee und warmen Brioches ausging. Er stellte das Tablett auf dem Tischchen ab und bat Léonie, Platz zu nehmen. Er selbst setzte sich ihr gegenüber, wobei er strahlte wie ein kleines Kind.
»Was hattest du mit dem Zimmermädchen zu besprechen?«, fragte Léonie neugierig.
»Ich habe mich bei ihr bedankt, weil sie aufgrund deines Eintreffens gleich daran gedacht hat, ein Frühstück für zwei zu bringen. In diesem Hotel ist man wirklich sehr aufmerksam«, lobte er.
»Tatsächlich!«, sagte Léonie lächelnd. Sie betrachtete sein an ziehendes, glückliches Gesicht und bemerkte, dass er an den Schlä fen ein wenig grauer geworden war. Die beiden Falten zwischen seinen Brauen waren etwas tiefer geworden.
Sie
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