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Bei Anbruch des Tages

Bei Anbruch des Tages

Titel: Bei Anbruch des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sveva Casati Modignani
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ist.«
    Das Hausmädchen kam mit zwei Tassen Tee.
    Â»Ich habe auch für Sie eine Tasse gebracht, Signora«, sagte die junge Frau und reichte Léonie eine Tasse.
    Â»Stellen Sie sie bitte auf den Tisch«, bat Léonie, die eine leichte Übelkeit verspürte, während sich ihre Nieren schmerzhaft verkrampften.
    Mühsam erhob sie sich aus ihrem Sessel und flüsterte: »Ich glaube, ich muss mich sofort hinlegen.«
    Kaum stand sie, spürte sie, wie eine warme Flüssigkeit an ihren Schenkeln hinabrann.
    Â»Meine Fruchtblase ist geplatzt!«, rief sie besorgt.
    Â»Oh Gott, Signora, ich bringe Sie sofort in Ihr Zimmer!«, sagte das Hausmädchen alarmiert.
    Â»Von wegen! Rufen Sie einen Krankenwagen, sie muss sofort in die Klinik«, schaltete sich der alte Amilcare ein, der unerwartet behände aufgesprungen war.
    Danach überschlugen sich die Ereignisse. Léonie hatte inzwischen schmerzhafte Wehen, die immer rascher aufeinander folgten. Der Gynäkologe war nicht zu erreichen, und so wurde überflüssigerweise tatsächlich der Krankenwagen gerufen.
    Der Hausarzt kam gerade noch rechtzeitig, um Léonie bei der Entbindung ihres zweiten Sohnes zur Seite zu stehen. Guido war am Telefon und sprach mit seinem Vater, der mit Celina und dem Großvater vor Léonies Zimmer wartete. Als er nach der Geburt Léonie endlich am Telefon hatte, sagte er: »Danke, mein Schatz, du bist fantastisch! Ich fahre sofort los und komme noch heute Nacht nach Hause.« Dann fügte er hinzu: »Was hältst du davon, wenn wir ihn Gioacchino nennen?«
    Â»Nach deinem Onkel?«, fragte sie.
    Â»Um die Tradition mit dem Buchstaben G fortzusetzen.«
    Â»D’ accord «, sagte sie.
    Später schaute Großvater Amilcare noch einmal nach ihr.
    Â» Papà, Léonie muss sich jetzt ausruhen«, sagte Renzo Cantoni, der am Bett der Schwiegertochter saß.
    Â»Die junge Frau braucht mich jetzt!«, beschied der Patriarch und verscheuchte ihn unwirsch.
    Das Neugeborene war soeben zwei Hausangestellten übergeben worden und lag im Zimmer nebenan. Giuseppe schlief selig in seinem Zimmer und wusste noch nichts von seiner neuen Rolle als großer Bruder. Léonie, die sich in die Kissen zurücksinken ließ, dachte an ihren Mann, der ihr jetzt gerade entgegeneilte, und an Roger, dem sie am liebsten sofort ihr niedliches Kind gezeigt hätte. Der alte Amilcare saß auf einem Stuhl am Fußende des Bettes und musterte sie eindringlich.
    Da flüsterte sie: » Nonno, darf ich dich mal etwas fragen?«
    Â»Aber natürlich«, erwiderte Amilcare.
    Â»Hat Guido vielleicht schon ein Kind mit einer anderen Frau gehabt, bevor er mich geheiratet hat?«
    Diese Frage quälte sie, seit sie den Schrank im Arbeitszim mer ihres Mannes aufgeräumt und darin ein zusammengerolltes Schreiben vorgefunden hatte, das außerdem ein winziges Arm band aus Glasperlen enthielt. Auf dem leicht vergilbten Blatt Papier war zu lesen: NOCH ZU ERLEDIGEN, BEVOR DAS KIND KOMMT. Die einzelnen, dann aufgeführten Punkte waren durchnummeriert.
    Sie hatte sich die Liste ganz durchgelesen, das Blatt wieder zusammengerollt und samt dem Armband zurück in die Schublade gelegt.
    Â»Nein«, erwiderte der alte Amilcare, nicht ohne hinzuzufügen: »Denn dann wärst du sicher nicht seine Frau geworden.«
    Â»Ich weiß nichts von Guidos Vergangenheit«, sagte sie leise.
    Â»Es ist eine schlechte Angewohnheit in dieser Familie, den eigenen Schmerz zu verbergen.«
    Â»Hat er sehr gelitten?«, fragte sie den Großvater.
    Â»Wir alle haben gelitten. Ich finde, du solltest endlich Bescheid wissen, und da mein Enkel nie darüber reden wird, werde ich es tun.«

Amaranta

1
    G uido ähnelte seiner Mutter sehr, aber es gab auch immer Leute, die in seiner Mimik eine Ähnlichkeit mit dem Vater feststellten. Niemand hätte je daran gezweifelt, dass Renzo Guidos Vater war. Als Guido größer wurde und in seiner Art immer mehr den Männern der Familie Cantoni entsprach, hieß es: »Wie der Vater, so der Sohn.« Und Renzo war stolz darauf, da er ihn wie einen leiblichen Sohn liebte.
    Guido brachte seinem Vater einen fast ehrfürchtigen Respekt entgegen. Als kleiner Junge schrieb er ihm liebevolle Briefe. Doch seine Zärtlichkeiten hob er sich für die Mutter auf, die ihn nach Strich und Faden verwöhnte.
    Zu Nonna Bianca hatte Guido ein schwieriges

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