Bei Anbruch des Tages
frühstückten und redeten, lieÃen die letzten zwölf Monate Revue passieren. Dann nahm Roger sanft Léonies Hand.
»Ich würde dich niemals bedrängen, aber es wäre gelogen, wenn ich dir sagen würde, dass ich dich nicht mit jeder Faser meines Körpers begehre.« Er sah ihr direkt in die Augen.
»Du weiÃt, dass wir uns in wenigen Stunden wieder voneinander verabschieden müssen â¦Â«, sagte Léonie verwirrt.
»Aber nicht ohne groÃe Freude im Herzen«, entgegnete er und verstärkte den Druck seiner Hand.
Als sie bald darauf im groÃen Ehebett lagen und er sie in seinen Armen hielt, sagte sie: »Ich möchte nicht, dass unser Leben von dieser Liebesaffäre aus dem Gleichgewicht gebracht wird.«
»Ich auch nicht!«, versicherte ihr Roger und fügte hinzu: »Wir sind ein Mann und eine Frau, die sich gefunden und eine Traumwelt erschaffen haben, in der wir jedes Jahr nur für einen Tag leben. Wir gönnen uns nur wenige glückliche Stunden und kehren dann wieder in die Realität zurück â wohl wissend, dass unsere Liebesgeschichte nach zwölf Monaten erneut auf uns wartet.«
2
A ls sie das Hotel verlieÃen, um zum Mittagessen zu gehen,schneite es. Auf den kopfsteingepflasterten Gassen bildete sich eine dünne, rutschige Schneeschicht. Roger hatte Léonie fest untergehakt und führte sie zum Restaurant.
»Wäre es nicht fantastisch, wenn wir uns einmal â¦Â«, begann er.
»⦠im Hochsommer treffen könnten?«, beendete sie seinen Satz.
Sie sahen sich tief in die Augen und schüttelten beide den Kopf.
»Unsere Liebesgeschichte ist das hier, mehr dürfen wir nicht verlangen«, sagte Léonie.
»Da bin ich ganz deiner Meinung.«
»Wobei ⦠Eine Wiederholung â¦Â«, flüsterte Léonie.
»Willst du das wirklich?«, fragte Roger.
Sie schien kurz nachzudenken, schüttelte dann aber den Kopf.
»Nein, es ist perfekt, wie es ist.«
Die wenigen Passanten drehten sich nach dem eleganten Touristenpaar um, das eng umschlungen im Schnee spazieren ging.
Als sie im Restaurant auf ihre Suppe warteten, sagte Roger: »Fast hätte ich nicht kommen können, weil meine Frau einen furchtbaren Autounfall hatte et sâen est tirée de justesse . Sie konnte nur durch eine zehnstündige Operation gerettet werden. Ich habe mit dem Schlimmsten gerechnet und mir groÃe Sorgen um sie gemacht. Gleichzeitig drängte sich mir immer wieder die Frage auf, ob wir uns wohl trotzdem sehen könnten. Zum Glück ist sie seit drei Tagen nicht mehr auf der Intensivstation, sodass ich fahren konnte â froh, sie auÃer Gefahr zu wissen, und glücklich in der Hoffnung, dich zu treffen.«
»Das tut mir sehr leid für deine Frau«, sagte Léonie.
»Vielleicht sollten wir für den Notfall unsere Telefonnummern austauschen«, schlug er vor.
»Hätte ich deine Nummer, könnte ich der Versuchung bestimmt nicht widerstehen, dich anzurufen«, gestand sie.
»Mir ginge es ganz genauso.«
»Damit würden wir alles ruinieren und unsere einzigartige Liebesgeschichte kaputt machen«, sagte Léonie.
»Du hast recht, das wäre ein Fehler«, pflichtete ihr Roger bei und führte ihre Hand sanft an seine Lippen. »Du machst mich glücklich, kleine Léonie«, flüsterte er.
Als sie das Restaurant verlieÃen, hatte es aufgehört zu schneien, dafür war es noch kälter geworden.
»Musst du nach Morbegno?«, fragte Roger.
»Ja, eigentlich schon, aber es ist schon spät, und ich fahre lieber gleich nach Villanova zurück. In ein paar Stunden wird es in unserem Haus nur so wimmeln von Müttern und Kindern, die zur Weihnachtsfeier meines Sohnes kommen.« Sie zogen sich an die Hotelbar zurück, um noch einen Kaffee zu trinken. Dort saÃen sie am Fenster mit Blick auf den See.
»Schau, hier, die neuesten Fotos von meinem Kleinen!«, sagte Léonie stolz und zog ein paar bunte Schnappschüsse aus ihrer Handtasche. »Findest du nicht, dass er mir ähnlich sieht?«
»Gut möglich, aber in dem Alter sind die Gesichtszüge noch nicht so ausgeprägt. Er sieht auf jeden Fall gesund aus und hat einen aufgeweckten Blick«, sagte Roger.
»Er ist furchtbar wild, rennt durch das ganze Haus, redet wie ein Wasserfall und ist kaum zu verstehen. WeiÃt du, ich spreche Französisch mit ihm, die anderen
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