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Bei Anbruch des Tages

Bei Anbruch des Tages

Titel: Bei Anbruch des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sveva Casati Modignani
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Stechen im Bauch gespürt, das sofort wieder vorbei war. Deshalb sagte sie, als Guido aus Rom anrief, um sich nach Neuigkeiten zu erkundigen, beruhigend: »Wie du weißt, dauert es noch eine Woche. Kümmere dich ruhig um deine Arbeit.«
    Seit Monaten war ihr Mann mit einem Projekt beschäftigt, das ihm sehr am Herzen lag. Die Geschichte, um die es ging, spielte im neunzehnten Jahrhundert zwischen Mailand und dem Comer See.
    Die Verhandlungen mit dem Sender gestalteten sich zäh, weil die dortige Führungsriege zwischendurch ausgetauscht worden war, sodass alles von vorn begann. Guido kannte Gott und die Welt, aber es war wirklich schwierig, in dieser von Parteienproporz bestimmten Welt zu einer Vereinbarung zu kommen.
    Guido hatte sich schon mehr als einmal bei seiner Familie darüber beschwert und in einem besonders ärgerlichen Fall sogar gesagt: »Das ist nicht nur mühsam, sondern auch demütigend. Ich hätte große Lust, alles hinzuschmeißen.«
    Â»Ja, genau, und dann kehrst du wieder in unsere Firma zurück!«, hatte sein Vater in der Hoffnung entgegnet, Guido würde wieder für das Familienunternehmen arbeiten.
    Dabei wusste Renzo genau, dass sein Sohn nie mehr zu Cantoni-Armaturen zurückkehren würde, nicht nach jener scheußlichen Geschichte, die sie alle verdrängt hatten.
    Bevor Guido nun das Telefongespräch mit seiner Frau beendete, erkundigte er sich noch einmal: »Bist du sicher, dass ich noch rechtzeitig zur Geburt unseres Kindes da sein werde, wenn ich erst am Donnerstag komme?«
    Â»Absolut sicher.«
    Am Nachmittag hatte Léonie Nonno Amilcare besucht, der seinen Flügel der Villa seit einigen Wochen nicht mehr verließ, weil er es allein nicht mehr schaffte, vom Schlafzimmer ins Wohnzimmer zu gelangen. Sie fand ihn im Sessel sitzend vor. Er döste vor sich hin, während ihm gegenüber ein Hausmädchen saß, strickte und im Fernsehen ein Quiz verfolgte.
    Â»Ich gehe und koche Tee«, sagte die Frau, als sie Léonie hereinkommen sah.
    Léonie machte den Fernseher aus, setzte sich neben den alten Herrn, strich ihm zärtlich über die Hand und flüsterte: »Ich bin gekommen, um dir Gesellschaft zu leisten.«
    Nonno Amilcare schlug die Augen auf, sah sie lächelnd an und sagte: »Du bist ein liebes Mädchen. Wie spät ist es?«
    Seit einer Weile fragte er jeden nach der Uhrzeit, so als könnte er irgendetwas verpassen.
    Â»Fünf.«
    Â»Ich habe geträumt«, sagte der alte Herr.
    Â»Etwas Schönes?«
    Â»Ich war jung und kräftig. Ich saß mit Bianca im Garten auf der Wiese, und wir hatten viel Spaß bei einem Würfelspiel. Generoso Castelli, dieser unermüdliche Galan, war ebenfalls dabei.« Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: »In meinem Alter darf ich endlich einmal die Wahrheit sagen: Er ist mir immer ziemlich auf die Nerven gegangen, aber irgendwie habe ich ihn auch gemocht, weil er im Grunde ein anständiger, unglücklicher Mann war.«
    Â»Und jetzt ist er tot«, bemerkte Léonie.
    Â»Soll er in Frieden ruhen! Es ist nicht schön, wenn zwei Männer dieselbe Frau lieben, selbst wenn man weiß, dass man der Einzige ist, der zurückgeliebt wird.«
    Léonie spürte ein weiteres leichtes Stechen im Unterleib und dachte an das Kind, das bald zur Welt kommen würde, an ihren Mann und Roger. Im Gegensatz zu Bianca, die sich ihre Zärtlichkeiten für den rechtmäßigen Ehemann aufgespart hatte und Generoso nur freundschaftlich verbunden gewesen war, empfand sie eine aufrichtige tiefe Zuneigung für Guido, fühlte sich aber auch von Roger körperlich angezogen, obwohl sie ihm nur einen winzigen Teil ihres Lebens widmete.
    Sie schreckte aus ihren Gedanken auf und lächelte Amilcare Cantoni an.
    Â»Das ist alles lange vorbei, Nonno«, sagte sie beruhigend.
    Â»Stimmt. Und ich hatte ein wunderschönes Leben. Meine Kinder sind ihren Neigungen gefolgt und mussten es nie bereuen. Mein Enkel hat dich geheiratet, und du scheinst genau die Richtige zu sein, um den Bestand der Familie und des Familienunternehmens zu sichern. Wir alle haben unser Kreuz zu tragen, auch wenn es uns nach außen hin nicht anzumerken ist. Aber wenn man alt wird, muss man sich dem stellen, was hinter der perfekten Fassade lauert. Vielleicht wird meinen Urenkeln die Fassade eines Tages egal sein, werden sie sich darauf konzentrieren, was wirklich wichtig

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