Bei Anbruch des Tages
Mann hob den Kopf und sah ihn verwirrt an. Der Zeitungshändler erkannte ihn, es war der junge Cantoni.
»Alles in Ordnung, Dottore?«, fragte er.
Guido kurbelte das Fenster herunter und sagte: »Ich denke schon«, obwohl er nicht recht wusste, wo er eigentlich war.
»Brauchen Sie Hilfe?«, hakte der Mann nach, der ihn von klein auf kannte und ihm früher Comics und Sammelbildchen verkauft hatte. Da erkannte Guido ihn endlich und fragte: »Wie spät ist es?«
»Halb fünf.«
»Danke, dass Sie mich geweckt haben. Mich muss plötzlich der Schlaf übermannt haben«, entschuldigte er sich.
»Dann ist ja alles gut, und ich kann mich auf den Weg machen«, sagte der Zeitschriftenhändler, stieg auf sein tuckerndes Mofa und fuhr ins Dorf.
Die StraÃenlaterne erhellte den ehemaligen Bauernhof sowie die Felder jenseits der StraÃe. Guido erkannte die Umrisse meh rerer Kräne, die in der Ferne aufragten, wo neue Wohnungen entstanden. In Gedanken hörte er noch einmal Amarantas heisere Stimme, die sagte: »Ich habe ein Kind.«
Nachdem sie gegangen war, war er ins Auto gestiegen und dort sitzen geblieben. Er wusste, dass er kein Recht hatte nachzufragen, aber er wollte unbedingt wissen, wer der Vater war.
SchlieÃlich hatte Amaranta gesagt, dass sie noch nie einen Freund gehabt habe. Und dass sie die Krallen ausfahre, sobald ihr jemand den Hof mache. Deshalb hatte er wütend geflüstert: »Warum hast du mich angelogen?«
Ihr Glaube, ihr Bedürfnis, sich an Gott zu wenden, damit er ihr den rechten Weg aufzeige, war das alles nur gespielt? Sein GroÃvater und Generoso hatten recht: Diese Frau sollte er lieber vergessen. »Sie ist eine Hexe!«, hatte er mit zusammengebissenen Zähnen gezischt. SchlieÃlich war er eingeschlafen. Jetzt wendete er den Wagen und fuhr los.
Doch anstatt zuerst zur Villa zu fahren, kehrte er in die Fabrik zurück.
Der Nachtwächter, der ihn am Vorabend mit Amaranta gesehen hatte, bekam mit, wie er um fünf Uhr morgens allein zurückkehrte, und dachte sich seinen Teil.
»Ich gehe ins Büro«, erklärte Guido ihm.
Nachdem der Wächter das Licht angeschaltet hatte, betrat er den alten Palazzo.
»Möchten Sie einen Kaffee, Dottore?«, fragte er, bevor er ging.
»Nein danke, ich brauche nichts«, lehnte Guido ab.
Zwischen seinem Büro und dem seines Vaters lag ein Zimmer mit einem Schrank, in dem sich Kleidung zum Wechseln für ihn und seinen Vater befand. In dem Raum befand sich auch eine Kochnische, und eine Tür führte in ein kleines Badezimmer. Guido ging ins Bad, duschte, zog einen Frotteebademantel über und machte sich einen Kaffee. Als er ihn getrunken hatte, zog er sich an und kehrte in sein Büro zurück, setzte sich an den Schreibtisch und machte die Lampe an. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und schloss die Augen.
Da fiel ihm wieder ein, wie sein Vater ihn als Kind nach der Sonntagsmesse mit in sein Büro genommen hatte, wo ein kleiner Kühlschrank mit Pralinen, Knabberzeug, Getränken und Champagner stand. »Bedien dich!«, hatte er dann zu ihm gesagt.
Guido hatte sich eine Cola eingeschüttet und eine Handvoll gesalzene Nüsse aus einer Dose genommen. Sein Vater hatte unterdessen am Schreibtisch gesessen und gearbeitet. Zum Zeitvertreib hatte Guido die Armaturen betrachtet, die im Regal aufgereiht waren und eine ganze Wand einnahmen. An jeder Armatur war ein Schildchen befestigt, auf dem der Name sowie die Nummer des Modells standen. Mit der Zeit hatte er sie alle auswendig gelernt. Er hatte die kleinen Etiketten umgedreht und seinen Vater gefragt: »Soll ich dir sagen, was darauf steht?«
Renzo hatte genickt und lächelnd zugehört.
»In zehn, fünfzehn Jahren wird das hier dein Reich sein. Dann wirst du merken, dass es nicht genügt, die Namen der Armaturen auswendig zu wissen, um die Firma zu leiten. Jede Armatur hat ihre Geschichte. Dieses Modell hier mit dem Namen Phönix war zum Beispiel der totale Reinfall. Hunderte von Arbeitsstunden für nichts und wieder nichts! Es hat den Leuten einfach nicht gefallen, obwohl dein GroÃvater und ich groÃe Hoffnungen auf das kantige Design gesetzt hatten â¦Â«, hatte er seinem Sohn erzählt.
Einmal hatte Guido gefragt: » Papà , soll ich Ingenieur werden wie du und GroÃvater?«
»Du wirst dich für das Fach entscheiden, das dich interessiert, aber
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