Bei Anbruch des Tages
du so weiterfährst, werde ich nicht viel älter wer den! Bei deinem letzten Ãberholmanöver ist mir fast das Herz ste hen geblieben.«
Sie fuhren durch das Tor in den Park der Villa, als hinter ihnen ein Wagen hupte. Es war Celina, die im Ort gewesen war. Sie hielten vor der Villa, und Guido half ihr beim Aussteigen.
So wie jeden Sonntagnachmittag hatte seine Mutter bei den Senioren vorbeigeschaut, im Palazzo Olgiati und bei anderen, die ihr Don Tranquillo genannt hatte. Sie hörte nach, was sie brauchen konnten, und half ihnen, wenn es möglich war.
»Ich begrüÃe nur kurz die GroÃeltern«, verkündete Generoso, als sie das Haus betraten. Er lieà Mutter und Sohn allein und ging zum Wohnbereich von Bianca und Amilcare.
»Signor Castelli bleibt zum Abendessen«, sagte Guido zu Nesto, der sie an der Tür empfangen hatte.
»Wir haben mit dem Mittagessen auf dich gewartet, aber du bist nicht aufgetaucht«, sagte Renzo zu seinem Sohn, als er den roten Salon betrat.
Guido hatte in seiner Wohnung in Mailand übernachtet, einer Dachgeschosswohnung in der Via Mozart. Sein Vater hatte sie ihm geschenkt, als er noch studiert hatte. Jetzt blieb er dort nur noch über Nacht, wenn er in die Stadt fuhr und es abends spät wurde.
»Entschuldige bitte, ich habe ganz vergessen, dir zu sagen, dass ich bei den Olgiati-GroÃeltern esse«, erklärte er.
»Wie geht es ihnen?«, fragte Celina und machte es sich in ihrem Sessel bequem.
»Sie leben unbekümmert vor sich hin, ohne sich um ihre schwindenden Finanzen zu kümmern«, erzählte Guido.
Der GroÃvater mütterlicherseits hatte inzwischen auch den Palazzo am Corso Venezia zum Verkauf angeboten und wollte mit seiner Frau ins kenianische Mombasa ziehen. Zunächst hatte der Graf den Cantonis den Palazzo angeboten, die jedoch auf den Kauf verzichtet hatten. Dafür hatte Guido ihm einen Industriellen aus der Lebensmittelbranche vorgestellt, der sich gut vorstellen konnte, mit seiner Familie dort zu leben. Allerdings zogen sich die Verhandlungen schon seit Monaten hin.
»War das Essen gut?«, fragte Celina.
»Köstlich.«
»Was gab es denn?«, fragte der Vater neugierig.
In Wahrheit konnte Guido sich nicht mehr an das Essen erinnern, da er die ganze Zeit über an Amaranta gedacht hatte. Er erfand ein Menü, das den Eltern das Wasser im Mund zusammenlaufen lieÃ.
»Und, hast du im Dorf einen weiteren bemitleidenswerten Fall entdeckt, um den du dich kümmern kannst?«, fragte er seine Mutter, um das Thema zu wechseln.
»Allerdings. Don Tranquillo hat mich auf eine alte Frau aufmerksam gemacht, die mit ihrer Nichte in der Cascina Pompea lebt. Die Arme hatte mehrere Schlaganfälle und sitzt jetzt im Rollstuhl. Dottor Beretta hat der Nichte mehrmals geraten, sie in unserem Altersheim anzumelden, aber die junge Frau will nichts davon wissen. Sie behauptet, ihrer Tante gehe es gut, und wenn sie in der Fabrik sei, werde sie von den Nachbarinnen versorgt. Die junge Frau ist nämlich eine Angestellte von uns«, erklärte Celina.
»Ich kenne sie«, flüsterte Guido.
»Wer ist es denn?«, fragte Renzo.
»Amaranta Casile.«
»Die, die im Lager arbeitet?«
»Genau die. Wir sind zusammen zur Grundschule gegangen. Sie war als Kind manchmal bei uns in der Villa, wenn Mama SüÃigkeiten verteilt hat. Hat sie dir das nicht erzählt?«, fragte er seine Mutter.
»Sie redet nicht viel und hat mich nicht gerade mit offenen Armen empfangen. Ich muss allerdings zugeben, dass die Tante wirklich ausgezeichnet versorgt wird. Die Nichte wäscht sie, zieht sie an, sprüht ihr Parfüm auf, gibt ihr Spritzen ⦠Aber besonders freundlich ist die junge Frau nicht gerade!«
»Sie ist eben eine selbstbewusste Kalabresin«, sagte Guido beinahe stolz.
»Trotzdem: Das ist doch kein Leben für das Mädchen, egal, wie gern sie ihre Tante hat!«, bemerkte Celina.
»Ich werde mit Dottor Beretta darüber reden, der kennt sie bestimmt. Er findet sicherlich die richtigen Worte«, schlug Guido hilfsbereit vor, weil er hoffte, auf die Art Amaranta näherkommen zu können.
Nach einigen Wochen wurde Amaranta Casiles Tante im Alters heim der Cantonis aufgenommen, und Guido, der die junge Frau seit dem gemeinsamen Essen in die Pizzeria nicht mehr gesehen hatte, passte sie eines Abends ab, als sie mit dem Rad die Fabrik verlieÃ. Er wusste
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