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Bei Anruf - Angst

Bei Anruf - Angst

Titel: Bei Anruf - Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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sank von
allein ins Schloss. Ohne Schlüssel ließ sie sich von außen nicht öffnen.
    „Bei dem Single?“, fragte der
Blonde.
    „Exakt. Bei Ivoritzki.“
    „Wegen dem Mädchen, ja?“
    Tim nickte und seine Miene
verschloss sich wie eine Faust mit eindeutiger Absicht.
    „Geht mich ja nichts an“,
meinte der Blonde und stieg rasch die Treppe hinauf. Offenbar spürte er genau,
wofür er sich interessieren durfte und wofür nicht.
    „Gute Nacht!“, rief Gaby ihm
nach — im Bemühen nett zu sein.
    „Wünsche ich euch auch.“ Dann
wurde weiter oben eine Wohnungstür aufgeschlossen und der Blonde, der gesagt
hatte, er sei Realschüler, zog sich in seine Höhle zurück. Die Stufen hinauf.
TKKG verharrten vor Ivoritzkis Tür. „Klingeln wir?“, fragte Klößchen. „Und
sobald er öffnet, werfen wir ihn zu Boden und prügeln sämtliche Geständnisse
aus ihm heraus.“
    Tim schüttelte den Kopf. „Wir
überraschen ihn im Schlaf. Wenn wir plötzlich vor seinem Bett stehen, ist das
wie ein Schock. Ivoritzki kriegt seelischen Schüttelfrost und plaudert, ohne
dass wir auch nur mit dem Finger drohen. Sowas nennt man psychologisches
Überraschungsmoment.“
    „Ich nenne das unbefugtes
Eindringen in eine fremde Wohnung“, sagte Gaby leise. „Die Polizei darf das nur
mit einem Durchsuchungsbefehl.“
    Tim küsste seine Freundin auf
die Wange. „Aber, Pfote! Wir sind doch nicht die Polizei, sondern vier
Jugendliche auf heißer Spur. Streiter mit glühendem Herzen für die Gerechtigkeit.
Die Vollwaise, die dich angerufen hat, ist wahrscheinlich in Gefahr, ganz
bestimmt in einer unguten Lage. Vermutlich haben wir’s mit menschenverachtenden
Verbrechern, mit Schleusern, zu tun. Dieser Ivoritzki ist so übel wie
Rattengift und ‘ne tropische Krankheit zusammen. Der! — hätte uns nie aus dem
Bunker befreit, sondern dem Verschmachten preisgegeben. Wenn wir also bei ihm
eindringen, um eine Riesen-Sauerei aufzuklären, halte ich dieses unser Vorgehen
für ein vergleichsweise harmloses Delikt. Außerdem werden wir behaupten, die
Tür wäre offen gewesen — nur angelehnt! Egal, wer das glaubt.“
    Gaby seufzte. „Ich mache
solange die Augen zu — bis die Tür angelehnt ist. Schließlich bin ich die
Tochter eines Hauptkommissars.“
    Tim wartete, bis sich Gabys
Blauaugen schlossen, und brachte dann rasch noch ein Bussi an.

    Karl werkelte bereits am
Schloss. „Stört bitte nicht meine Konzentration!“
    Das Licht im Treppenhaus war
erloschen. Karl arbeitete nahezu lautlos. Die andern hielten den Atem an.
    In den Wohnungen war es still.
Dann ertönte irgendwo im dritten Stock eine Klo-Spülung. Wahrscheinlich
beendete der Blonde auf diese Weise seinen Tag.
    „Offen!“, flüsterte Karl.
    Wenn Ivoritzki was gehört hat,
überlegte Tim, steht er jetzt mit gezückter Pistole in der Diele.
    Der TKKG-Häuptling schob Gaby
in den Schutz der Mauer.
    „Pfote, du kommst erst, wenn
wir drin sind.“
    Tim hauchte die Worte, glitt an
Karl vorbei, schob die Tür auf und huschte in die Diele — lautlos wie ein
Schatten. Die Diele besaß keine Fenster, aber Türen zweigten ab. Zwei standen
offen. Aus den Räumen drang schwaches Licht herein. Kein Licht von Lampen,
sondern das der Straße — der Passage — , wo Laternen und Mondschein und einige
erleuchtete Schaufenster für Helligkeit sorgten.
    Niemand war in der Diele.
    Tim zischelte.
    Karl und Klößchen kamen herein.
Dann Gaby.
    Tim blickte in den Wohnraum.
    Leer — jedenfalls menschenleer.
Die Möbel interessierten nicht.
    Gaby schloss die Wohnungstür — ultra-leise.
    Tim überprüfte den zweiten
Raum, eine Küche. Sie roch nach den Resten von Pizza. Über der Spüle tropfte
der Hahn.
    Tims Augen hatten sich an die
Dunkelheit gewöhnt. Er entdeckte zwei weitere Türen.
    Er horchte mit dem Ohr am Holz.
    „Nichts. Kein Geräusch“,
hauchte er. „Kein Schlafatem.“
    Die erste Tür ließ sich lautlos
öffnen: das Bad samt Klo.
    „Der Blonde hat vorhin gesagt“,
wisperte er, „Ivoritzki hätte eine Vierzimmerwohnung. Also liegen zwei weitere
Räume hinter dem Wohnraum — oder hinter diesem hier. Gaby, du wartest bitte,
denn vielleicht hat der Typ ‘ne Pistole auf dem Nachttisch.“
    „Ich glaube, ich muss niesen!“,
flüsterte Klößchen.
    „Untersteh dich! Halt dir die
Gurke zu!“
    Aber es war schon zu spät.
    Klößchen zog sich zwar seine
wattierte Wetterjacke über den Kopf — trotzdem klang der Nieser wie der
Abschuss einer Haubitze, die Tote aufwecken soll.

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